Kategorie: இலங்கை ஜனநாயக சமத்துவ குடியரசு

„Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“ Ein Satz aus Goethes „Erinnerungen“ hat es in leicht abgewandelter Form zu diesem bekannten Sprichwort geschafft.
Goethe hatte leicht reden, denn was das Reisen angeht, war er bekanntlich auch kein Kind von Traurigkeit.
Ich habe mir in den letzten Monaten/Jahren das Naheliegende (wie ich finde) intensiv genug angeschaut, nun ist es mal wieder Zeit zu überprüfen, ob Goethes Weisheit noch immer Bestand hat.
Daher begebe ich mich nun auf eine weite Reise, die mich für die nächsten Tage in ein mir bisher völlig unbekanntes Land, nämlich nach Sri Lanka, führen wird.
Wie immer seid Ihr herzlich eingeladen, mich auf diesem Trip zu begleiten, denn mein Notebook ist bereits eingepackt und ich werde – so es die Infrastruktur zulässt – wie gewohnt live berichten. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen.

9. Tag, Dienstag, 04.03.2014: KANDY – Zum Heiligen Zahn

Der vielleicht schönste Ort des Landes zieht buddhistische Pilger aus aller Welt in seinen Bann. Pünktlich zur Puja-Zeremonie besuchen wir den Tempel des Heiligen Zahns° mit seinem Schrein, der einen Eckzahn Buddhas birgt – das größte Heiligtum des an Heiligtümern nicht gerade armen Landes; entsprechend beeindruckend ist die ganz besondere Atmosphäre dieses Ortes. Anschließend suchen wir uns per Tuk-Tuk die schönsten Fotomotive rund um das zentrale Wasserreservoir, in dem sich das Grün der Hügel und die Palastgebäude spiegeln. Rhythmische Trommeln, artistischer Tanz – das ist das nächtliche Gesicht Kandys. Und Gayesh kennt den richtigen Ort, um die „Kandyan Dances“° live zu erleben.

Heute ist ein toller Tag! Warum? Weil wir zum ersten Mal so richtig ausschlafen können. Ist nach dem gestrigen Abend aber auch dringend nötig, denn der letzte Cocktail, den ich getrunken habe, muss schlecht gewesen sein. Um acht Uhr stehe ich auf und bringe meine Wäsche zur Rezeption. Drei Mal musste ich meine T-Shirts zählen, drei Mal habe ich ein unterschiedliches Ergebnis. Ich notiere auf der Laundry Note einfach mal die höchste Zahl, nämlich neun, und stapfe die Treppenstufen in Richtung Rezeption um den Auftrag zu erteilen. Dort zählt der Concierge nach und kommt nur auf acht T-Shirts. Ich finde, dafür dass ich ja im Urlaub bin und mit Kalkulationen oder sonstigen Zahlenspielen nichts zu tun habe, war ich mit meiner Zahl schon verdammt nah dran.
Danach mache ich mich in Begleitung einiger Mitreisender auf die Stadt zu erkunden. Da dies ja eine Bildungsreise ist, komme ich nicht umhin, den Baedeker einzupacken und an einigen Stellen publikumswirksam daraus zu zitieren. Die Rolle als Ersatz- oder auch Teilzeit-Reiseführer ist mir somit schon mal sicher. Warum ich das hier so explizit erwähne, wird meiner geneigten Leserschaft an späterer Stelle klar werden…

DSCF5695Wir besichtigen also den örtlichen Markt, an dem Obstsorten umgeschlagen werden, von denen wir nicht einmal wussten, dass diese überhaupt existieren. Daneben gibt es noch allerhand andere Waren, wie zum Beispiel Fisch und Fleisch (ordnungsgemäß bei 35°C ungekühlt auf der Verkaufstheke gelagert, wie es der Europäer gewohnt ist), aber auch Kunsthandwerk in Form von Holzelefanten oder Leder-Flipflops.

Bei den Stoffhosen wird der Ehrgeiz unserer weiblichen Begleitungen geweckt und sie beschließen, drei davon gemeinschaftlich zu erwerben. Wie wir ja bereits im Studium gelernt haben, ist in so einem Fall (gerade auf einem Basar, wo sowieso gehandelt wird) mit einem fetten Rabatt zu rechnen.
Und so handeln sie mit dem Ladenbesitzer, als ob es kein Morgen gäbe. Die Männer der Gruppe nutzen die Gelegenheit um sich die Füße zu vertreten und am anderen Ende des Marktes für alle eine Flasche Wasser zu erstehen.

Das geht bei Männern ganz einfach: Ich sage, dass ich gerne fünf Flaschen Wasser hätte, der Händler sagt, dass er gerne zweihundertfünfzig Rupien dafür hätte, ich zahle zweihundertfünfzig Rupien, bekomme die Wasserflaschen ausgehändigt, fertig ist der Deal.
So einfach kann ein Handel sein.

Bei den Frauen sieht es folgendermaßen aus:
Als wir nacherfolgreichem Aufsuchen des Händlers und für beide Seiten zufriedenstellender Verhandlung zu den Mädels zurückkehren, beginnen diese gerade mit den Preisverhandlungen. Ich fühle mich ein wenig wie auf dem Superbowl, wo ja auch zwei Teams gegeneinander antreten, die sich jeweils keinen einzigen Meter schenken. So ist das auch hier bei den Verhandlungen. Der Händler schlägt seinen Preis vor. Juristisch handelt es sich um eine „Invitatio ad Offerendum“, also die Einladung, ein (Gegen-)Angebot zu machen. Es wird diskutiert, verhandelt, erneut begutachtet, neu bewertet, erneut verhandelt. So geht es hin und her, bis sich schließlich beide Parteien auf den bereits zu Anfang vom Händler genannten Preis  einigen. Und so gehen beide Parteien zufrieden auseinander – der Händler, weil er seinen Preis durchsetzen konnte, und die Mädels, weil sie es geschafft haben, eine halbe Stunde knallhart zu verhandeln.

Um 14.30 Uhr wollen wir uns alle treffen um ein paar Verkaufsveranstaltungen zu besuchen. Wir beenden daher unseren Stadtrundgang etwa eine Stunde früher und suchen uns ein Restaurant, wo wir noch schnell etwas essen können. Das White House erscheint uns da ganz praktisch, denn dort gibt es im Erdgeschoss eine Bäckerei und eine heiße Theke, im Obergeschoss befindet sich ein A-la-Carte-Restaurant. Wir bestellen vier Portionen Chicken-Rice an der heißen Theke, wir gehen nach oben, setzen uns hin, bestellen Getränke und warten. Da ich bei der Bestellung extra noch frage, wie lange es in etwa dauern würde und die Antwort bekomme, dass es uns schnellstens an den Tisch gebracht werde, sind wir zunächst noch optimistisch. Die Zeit vergeht, nichts tut sich, wir fragen mehrfach nach, es tut sich noch immer nichts, wir bekommen die Rechnung gebracht, bezahlen die Getränke, noch immer wurde uns das Essen nicht gebracht.
Wir beschließen zu gehen, denn immerhin müssen wir in fünf Minuten am Hotel sein. Auf dem Weg nach draußen erfahren wir, warum das Essen nicht gebracht wurde: Der Reis war aus. Schön, dass man uns das vorher gesagt hat…
Aus irgendeinem ganz blöden Grund sage ich, dass ich schon mal vorlaufe zum Hotel um Bescheid zu geben, dass einige ein paar Minuten später kommen werden. Jetzt muss man dazu wissen, dass ich dafür nur fünfzig Meter die Straße lang laufen und dann links abbiegen muss, das Hotel ist dann das dritte Haus auf der rechten Seite.

Soweit die Theorie.
Ich schaffe es nicht pünktlich zum Hotel, ich schaffe es nicht einmal im akademischen Viertel zum Hotel. Nachdem ich mich königlich verlaufen habe, unterwegs drei Polizisten und zwei Wachleute nach dem Hotel frage (blöderweise weiß ich nicht einmal die Adresse, meine einzige Möglichkeit ist daher, ihnen den Schlüssel mit dem Hotelanhänger vor die Nase zu halten), und die mich einfach mal irgendwo hinschicken, nur nicht zum Hotel, überkommt mich eine leichte Panik. Orientierungslos irre ich quer durch die ganze Stadt, bis ich nach etwa einer Stunde rein zufällig vor dem Hotel stehe. Aufgrund dieser Aktion nominiere ich mich heute selber für den „Vollpfosten des Tages“.

DSCF5721Immerhin schaffe ich es rechtzeitig zum 16.00 Uhr Termin. Wir treffen uns vor dem Hotel, steigen in Tuk-Tuks ein und fahren ein Stück aus der Stadt heraus, bis wir schließlich das Kandyan Cultural Centre erreichen. Dort schauen wir uns eine Vorstellung an, während der den Zuschauern verschiedenste Kandy-Tänze vorgeführt werden. Zum Abschluss gibt es dann noch eine kleine Fakir-Show mit Feuerschluckern und Männern, die über glühende Kohlen laufen. Nach etwa einer Stunde ist die Veranstaltung zu Ende und wir machen uns auf den Weg zum nahegelegenen Zahntempel.

DSCF5722Als Buddha ins Nirvana übergetreten ist, wurden seine sterblichen Überreste eingeäschert (Die Geschichte habe ich ja bereits am 4. Tag in Mihintale erzählt). Der Legende nach sind dabei vier Zähne und ein Schlüsselbein in der Asche übrig geblieben. Ein Eckzahn ist im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgezogen und befindet sich seit dem achtzehnten Jahrhundert hier in Kandy im Dalada Maligawa. Jedes Jahr im Juli/August findet eine elftägige Zeremonie statt, bei der die Zahnreliquie feierlich mit einer Elefantenprozession durch die Stadt getragen wird.

IMG_3450Wir erreichen den Zahntempel gegen 18.30 Uhr, pünktlich zur Puja-Zeremonie. Diese findet dreimal täglich statt, wenn unter Trommelwirbel und Schalmei-Spiel für eine Stunde die schweren Silbertüren geöffnet und für die Gläubigen der Blick auf das Allerheiligste freigegeben wird. Dann platzt der Tempel vor lauter Pilgern förmlich auseinander. Wir lassen das Spiel auf uns wirken, flanieren am Allerheiligsten vorbei und werden zum Abschluss noch einen Blick auf die ältesten noch erhaltenen Schriften, für die hier im Tempel eine eigene Bibliothek erbaut wurde.

Der Abend endet in der Roof Top Bar bei ein paar leckeren und günstigen Cocktails.

10. Tag, Mittwoch, 05.03.2014: KANDY – KITULGALA – Adrenalin pur!

Das kulturelle Zentrum Sri Lankas mit Anuradhapura, Polonnaruwa und Kandy lassen wir hinter uns – von nun an steht Sri Lankas Natur im Vordergrund! Heute sogar hautnah, denn in Kitulgala rauscht einladend der Kelani River, und Schlauchboote für unser River-Rafting° stehen auch schon bereit. Schwimmwesten über, Helme auf und nach der nötigen Unterweisung paddeln wir Richtung Stromschnellen … Passend zu unserem Flussabenteuer dann auch unsere Unterkunft für die Nacht: ein Zeltcamp am Ufer. Das Lagerfeuer prasselt, der Urwald ringsherum lebt – Stoff für einen langen Abend!

Das Programm wird von Viraj erneut modifiziert, denn obwohl sie eigentlich erst für morgen vorgesehen ist, zieht er die Zugfahrt vor, und so fahren wir in der Frühe zum Bahnhof im Nachbarort und besteigen den Zug.

Wir haben Tickets für die zweite Klasse gebucht, was den Vorteil hat, dass man hier die Fenster öffnen kann (die erste Klasse ist vollklimatisiert, weshalb die Fenster versiegelt sind).

DSCF5761Die Zugtüren bleiben während der gesamten Fahrt offen. Das ist toll, denn ich setze mich in die offene Tür und habe so die gesamten zweieinhalb Stunden über eine tolle Aussicht.
Der Zug kämpft sich wacker in die Berge hoch, und ständig ändert sich die Vegetation. Die Zugfahrt lohnt sich wirklich und ich freue mich, dass wir die Gelegenheit dazu bekommen. In Watawala steigen wir aus und machen uns mit dem Bus auf den Weg zum Zeltcamp.

Wir kommen mittags in Kitulgala an. Die reißenden Fluten müssen wir uns vorstellen, denn es hat in den letzten Wochen so wenig geregnet, dass der Kelani River nicht viel mehr ist als ein trauriges Rinnsal. Statt River-Rafting steht also baden auf dem Programm. Als es dann auch noch anfängt zu regnen, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns im Campzentrum zu treffen und die Party vorzuverlegen.

DSCF5832Unsere Koffer konnten wir nicht mitnehmen, stattdessen haben wir jeder das Nötigste für die zwei Tage im Camp in einen Rucksack gepackt. Nun stellt sich heraus, dass wir anscheinend Schnaps als besonders nötig erachtet haben.

Der Kühlschrank füllt sich merklich mit Arrak, Wodka und Säften, je mehr von uns ihre Rücksäcke auspacken. Kaum haben wir uns hingesetzt, geht ein Zischen durch den Raum und wir setzen uns das erste Bier an den Hals.

Durch den Regen ist es jetzt extrem schwül, die Luftfeuchtigkeit liegt bei annähernd hundert Prozent. Angesichts dieses Klimas beschließt mein Kreislauf, sich eine Auszeit zu nehmen und so muss ich mich bis zum Abendessen ins Zelt legen.
Am Abend beginnt die große Sause, wir trinken, tanzen, reden bis zum Morgengrauen.

Es wird Abend, es wird Morgen – ein neuer Tag.

11. Tag, Donnerstag, 06.03.2014: KITULGALA – BANDARAWELA – Im Teeland unterwegs

Der Tee zum schlichten Frühstück weckt unsere Lebensgeister. Vom nächsten Bahnhof bringt uns der Zug anschließend hinauf ins Hochland: Auf einer Teeplantage° bei Nuwara Eliya lernen wir den Unterschied zwischen First und Second Flush kennen und worauf die Pflückerinnen so alles achten müssen. Weiter im Bus zum Tagesziel Bandarawela.

DSCF5838Ich werde irgendwann mitten in der Nacht schlagartig wach. Gerade muss ein Zug mich überrollt haben, jedenfalls fühle ich mich wie gerädert und mir tut alles weh.
Als ich aufstehe und auf die Matratze schaue, sehe ich, dass diese die Form beibehält. Kurz überlege ich, ob ich mit noch mal hinlegen und ein wenig mit den Armen rudern soll, dann hätte ich einen Schneeengel gemacht. Allerdings würde ich dann die Person aufwecken, die neben mir liegt, und so entscheide ich mich dagegen. Ich krieche also aus dem Zelt und wanke Richtung Dusche.

Da es gestern geregnet hat und der Regen doch recht warm war, bin ich optimistisch, was die Wassertemperatur an geht. Pustekuchen, das Wasser ist ar***kalt. Dies ist aber nicht die einzige Parallele zum Affencamp, denn neben der luxuriösen Dusche ist auch das Frühstück eine Gemeinsamkeit: Es gibt trockenen Zwieback mit Marmelade. Prost Mahlzeit, von „Lebensgeister wecken“ kann wirklich keine Rede sein.

Die im Programm beschriebene Zugfahrt fällt aus, denn die haben wir ja bereits gestern gemacht. So haben wir heute einen Tag vor uns, den wir größtenteils im Bus verbringen werden. Das ist auch bitter nötig, denn die meisten von uns sind noch unpässlich aufgrund des gestrigen Abends und der darauf folgenden kurzen bis nicht existenten Nacht.
DSCF5843Bei einem Zwischenstopp in der Nähe von Nuwara Eliya trinken wir im Labokellie Tea Estate einen Tee und essen Schokoladen-kuchen dazu, anschließend haben wir Freizeit um uns ein wenig die Fabrik anzuschauen oder in den Teeplantagen spazieren zu gehen.
Die Plantagen sind riesig, meine Augen sind nicht in der Lage, die Dimensionen zu erfassen. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass wir hier auf knapp 1300 Metern Höhe in den Bergen sind und der Dunst irgendwann alles Sichtbare verschlingt. Trotzdem gelingt es uns am gegenüberliegenden Berghang ein paar Teepflückerinnen bei der Arbeit zu beobachten.
Nachdem wir uns hier also derart verausgabt haben, legen wir uns wieder in den Bus und fahren nach Nuwara Eliya. Der Baedeker schreibt zu der Stadt folgendes:
„Nuwara Eliya, die „Stadt über den Wolken“, liegt mitten im Uva-Bergland in einer Mulde zwischen den drei hächsten Bergen Sri Lankas. Wegen ihres gemäßigten Klimas ist die höchstgelegene Stadt Sri Lankas ein beliebter Zufluchtsort für die Menschen aus dem feucht-Schwülen Südwesten während der heißen Jahreszeit. Die Temperaturen überschreiten selten 25 Grad und die Luft ist trocken und frisch.“

DSCF5858Als wir dort ankommen, regnet es in Strömen, es blitzt und donnert. Soviel zum Thema „die Luft ist trocken“. Wir suchen uns schnell ein Restaurant und auf dem Weg dorthin sehen wir diverse Verkaufsstände, an denen Winterkleidung und speziell auch Wollmützen und Handschuhe feilgeboten werden.
Es regnet hier übrigens an dreihundert Tagen im Jahr und für die Einheimischen ist es hier aufgrund der hohen Lage in den Bergen oftmals so kalt, dass sie sich dick einpacken. Für uns ist es – abgesehen vom Regen – recht angenehm.

Nach dem Essen ist unser Aufenthalt auch schon beendet, die letzte Etappe führt uns nach Bandarawela, wo wir im Orient-Hotel einchecken.

12. Tag, Freitag, 07.03.2014: BANDARAWELA – Frisches Bergquellwasser

Leichte Trekkingschuhe angezogen und los geht’s bei Haldummulla zur Wanderung durch Reisfelder, Wälder und Dörfer. Am Ende des Weges winkt ein erfrischendes Bad unterhalb eines Wasserfalles. Warm oder gar heiß wird’s uns dafür am Mittag: beim ceylonesisch-scharfen vegetarischen Lunch bei einer Dorffamilie. Köstlich!

Spätestens jetzt ist klar, dass wir das Kulturprogramm vollständig hinter uns gelassen haben – genauso wie die Zivilisation.

Nach einem gemütlichen Karaoke-Abend in der Hotel-Bar haben wir zwar den mittlerweile schon obligatorischen Totalausfall zu beklagen, zusätzlich fallen zwei von uns verletzungsbedingt aus. Mit Zerrung im Sprunggelenk lässt es sich halt schlecht wandern.
Und wandern werden wir heute, das ist mal so sicher wie das Amen in der Kirche.

Der Bus bringt uns ein Stück den Berg rauf, den Rest müssen wir selbst bewältigen. Die Tour beginnt zunächst entspannt im Wald, der eigentlich nicht viel anders aussieht als bei uns in Bayern, doch die Steigung nimmt von Meter zu Meter merklich zu, bis wir irgendwann nicht mehr über einen erdigen Waldboden laufen, sondern uns von Felsen zu Felsen hangeln.

DSCF5885Zwischendurch dürfen wir bei einem ebenen Stück ausruhen und unsere Kräfte schonen, Bahnschienen kreuzen unseren Weg. Ein Mutiger aus unserer Gruppe opfert sich heldenhaft für das Kollektiv, legt das Ohr auf die Schiene, nickt uns zu – Entwarnung, es ist kein Zug in der Nähe. Wir betreten also das Gleisbett und folgen dem Verlauf der Schienen für eine Weile. Unterwegs laufen wir in einen Bahnhof ein, den wir aber rechts liegen lassen und unseren Weg fortsetzen.
Es geht weiter über Stock und Stein, teilweise wird der Weg verdammt schmal und der gähnende Abgrund ist nur wenige Zentimeter von unseren Fußabdrücken entfernt. Ich bin ehrlich froh, dass es heute nicht geregnet hat, denn die Felsen könnten sonst echt gefährlich rutschig werden.
DSCF5876Ein paar Aussichtspunkte liegen auf dem Weg, diese nutzen wir um Erinnerungsfotos zu machen, uns – wenn auch nur kurz – auszuruhen und unseren geschundenen Füßen einige Minuten der Schonung zu gönnen. Der Ausblick ist überwältigend, Berge und Grün so weit das Auge reicht. Keine Städte, keine Fabriken – nichts zerstört diesen Moment. Hier ist die Welt noch in Ordnung, möchte man meinen. Ich setze mich, lasse den Blick schweifen und genieße den Moment.
Viel Zeit bleibt uns dann doch nicht, der Zeitplan ist gnadenlos. Ein Besuch bei einer einheimischen Familie steht an, dort dürfen wir den Leuten beim Kochen über die Schulter schauen und anschließend ein leckeres einheimisches Essen genießen. Als wir an dem Haus ankommen, stürzen wir uns dankbar auf die Stühle, die für uns bereit gestellt wurden. Und als würde Petrus auf uns schauen, fängt genau in dem Moment ein Regenschauer vom Allerfeinsten an. Das Timing ist perfekt, denn jetzt gerade ist uns das mal völlig egal. Wir verlegen unseren Stuhlkreis ins Innere des Hauses, wo es dadurch zwar eng und kuschelig wird, aber dafür ist es trocken. Das Buffet, das hier aufgefahren wird, ist reichhaltig und verdammt lecker – da könnte sich manche der von uns bisher in Anspruch genommenen Unterkünfte mal etwas abschauen.
Frisch gestärkt geht es an den Rückweg, die letzte Etappe ist überschaubar. Den Weg kennen wir bereits, die Landschaft auch, daher haben wir keine großen Überraschungen zu erwarten.

Der Bus bringt uns zurück ins Hotel, den Rest des Tages haben wir Freizeit. Ich nutze die Gelegenheit für eine (natürlich mal wieder kalte) Dusche, warmes Wasser scheint in Sri Lanka ein unbezahlbares Luxusgut zu sein.

Der Baedeker sagt über Bandarawela mal ganz genau: überhaupt nichts. Angepriesen werden werden Teefabriken in der Umgebung, deren Besichtigung sich lohnen soll. Das war es dann aber auch schon. Ich mache mich dann jetzt mal auf den Weg und streune ein wenig durch die Straßen, diesmal mit meinem GPS-Gerät am Mann, damit ich das Hotel auch wiederfinde…

13. Tag, Samstag, 08.03.2014: BANDARAWELA – WEERAWILA – Elefanten!

Noch mal tief durchatmen in der luftigen Höhe, dann geht’s aus den Bergen zurück ins tropische Tiefland zum Yala-Nationalpark. Auf einer Safarifahrt halten wir am Nachmittag Ausschau nach Elefanten, Affen & Co. Übernachtung in Weerawila außerhalb des Parks.

Heute steht ein weiteres Highlight auf dem Programm: Eine Safari. Meine erste Safari. Stattfinden wird sie im Yala-Nationalpark, einem Areal von fast 1300km². Dieses ist in insgesamt fünf Areale unterteilt, von denen wir heute zwei durchqueren und erkunden werden. Doch bis wir dort ankommen, haben wir noch einiges vor uns, ein Teil davon entspannend, der andere eher anstrengend.

Der entspannende Teil: Wie üblich treffen wir uns mitten in der Nacht um 08.00 Uhr zur Abfahrt am Bus.
(Ich werde den Verdacht nicht los, dass ich etwas Entscheidendes falsch gemacht habe. Oder gibt es eine andere logische Erklärung dafür, dass ich im Urlaub jeden Tag um halb sieben aufstehe, um sieben Uhr frühstücke und pünktlich um acht Uhr abfahrbereit am Bus stehe? Ich weiß ja, dass man im Urlaub Dinge tun soll, die man sonst nie macht, aber so etwas? Okay, stimmt. All das mache ich sonst nie, dann sei es halt so.)

DSCF5922Wir fahren etwa eine Viertelstunde, da ist der entspannende Teil auch schon beendet. Draußen stehen am Straßenrand säuberlich aufgereiht fünf Safari-Jeeps, in die wir nun umsteigen:
In jeden klettern fünf von uns, ich lande mit vier Mädels im – wie sich kurz darauf herausstellen soll – Party-Jeep.

Wenn ich mich bisher schon mal über die Fahrweise der Menschen in Sri Lanka geäußert haben sollte: Vergesst alles, was ich geschrieben habe, denn es war die Betrachtung eine außenstehenden Ahnungslosen.
Kaum sitzen wir, schmeißt der Fahrer den Motor an und los geht die Fahrt. Zwischenzeitlich mache ich eine Aufstellung über die wichtigsten Verkehrsregeln in Sri Lanka:

  1. Es gibt einen Knopf im Fahrzeug, der über zwei einstellbare Positionen verfügt: „Halsbrecherisch fahren“ versus „Aus“.
  2. Es wird sich grundsätzlich im Modus „Halsbrecherisch fahren“ fortbewegt.
  3. Das wichtigste Bauteil an einem Fahrzeug ist die Hupe.
    Sie gehört nicht zur Grundausstattung eines Fahrzeugs, sondern muss über die Sonderausstattung erworben werden. Eine Hupe ist sehr teuer. Deswegen zeigt der Besitzer eines Fahrzeugs stolz, dass er eine solche erworben hat, indem er jeden anhupt, der ihm entgegenkommt oder der ihn überholt, oder der irgendwo herumsteht.
    Auch am Wegrand stehende Personen werden angehupt. Und Tiere. Und Häuser. Eigentlich wird ständig gehupt. Einige Menschen steigen daher in ihr Fahrzeug ein, legen den Schalter um auf „Halsbrecherisch fahren“, legen dann den Finger auf die Hupe und halten den Knopf bis zum Ende der Fahrt konstant gedrückt.
  4. Wer am lautesten hupt, hat Recht.

Nach gefühlten drei Stunden kommen wir an einem der Eingänge um Nationalpark an, der Jeep hält an. Als die massive Staubwolke, die der Fahrer beim Bremsen verursacht hat, sich legt, wage ich es, meinen krampfhaften Griff zu lösen, mit dem ich mich an das Gitter des Jeeps festgekrallt habe. Dabei fällt mein Blick auf meine Armbanduhr: Wir sind gerade einmal fünfundvierzig Minuten gefahren…

Die Seite Srilanka-reise.info schreibt zum Park unter anderem Folgendes:

„Bevor man sich für einen Besuch des Parks entscheidet, sollte man zwei Dinge bedenken: Die Fahrt durch den Nationalpark kann vielleicht etwas enttäuschend sein, wenn man erwartet, Leoparden und Krokodile sowie Herden von Elefanten an jedem Wasserloch und Affen von jedem Baum hängen zu sehen. Manchmal fährt man stundenlang umher und hat am Ende des Tages beispielsweise noch immer keinen Elefanten oder Leoparden in freier Wildbahn gesehen. Hat man das Glück, einige Tiere aus nächster Nähe zu sehen, kann es jedoch vorkommen, dass sich sogleich eine Art Massenauflauf um das Tier bildet und sich eine Reihe von Jeeps mit fotowütigen Touristen um das Tier versammelt. Auch dies sollte man vor einem Besuch von Yala wissen. Wenn man diese zwei Aspekte berücksichtigt, wird man von einem Besuch im Yala Nationalpark sicherlich nicht enttäuscht sein.“
(http://www.srilanka-reise.info/yala-nationalpark/, zugegriffen am 07.03.2014)

Ich bin also gespannt…

Nachdem die Tickets gelöst sind, steigt unser Scout zu uns in den Jeep und es geht weiter. Dass wir Viraj an Bord haben, wird sich später noch als großer Gewinn herausstellen, denn er vermittelt ständig zwischen uns und dem Fahrer, teilt ihm unsere Wünsche mit, übersetzt die Kommentare des Fahrers, erklärt uns die Tiere und und und…

Der Motor springt an, die Erde wird aufgewirbelt und der Jeep setzt sich in Bewegung. Die asphaltierten Straßen lassen wir hinter uns, generell lassen wir die Straßen hinter uns. Die Wildnis begrüßt uns mit einer Aneinanderreihung von Schlag- und Wasserlöchern, zwischen denen unser Fahrer geschickt manövriert. Dabei schaut er – wie ich über den Rückspiegel beobachten kann – ständig nach links und rechts oder schreit in sein Telefon, dass er die ganze Zeit über mit einer Hand ans Ohr hält.

DSCF5940Plötzlich: eine Vollbremsung.
Die Mädels und ich schauen irritiert in der Gegend herum, wir sind umzingelt von Jeeps mit Touristen, die ebenfalls irritiert in der Gegend herum schauen.
Viraj fragt den Fahrer, was los ist und klärt uns auf: Ein Leopard! Wir suchen den Busch ab, auf den er zeigt und sehen – nichts! Plötzlich bewegt sich etwas und wir können den Kopf erkennen. Dann den Hals. Dann den Rest. Gemächlich und von unserer Anwesenheit völlig unbeeindruckt schlendert der Leopard keine zehn Meter von uns entfernt durch die Steppe.
Die anderen Jeepfahrer verfluchen uns, denn unser Fahrer macht keine Anstalten weiterzufahren, bis wir ihm ein Zeichen geben, und so stehen wir eine lange Zeit einfach nur herum, machen Fotos und lassen uns anschreien, dass wir endlich den Weg freimachen und den anderen den Blick freigeben sollen. Wir sind ja keine Unmenschen und so geben wir das Zeichen – es geht weiter.

DSCF5997Je weiter wir fahren, desto mehr beeindruckt mich die Vielfalt, die sich uns hier offenbart: Von dschungelähnlicher Vegetation über Sanddünen, Wasserlöcher, Steppe, Felsformationen – es ist alles dabei.
Was anfänglich sehr stört, ist die Tatsache, dass wir sprichwörtlich von Jeeps umzingelt sind (ich zähle weitweise vierzehn Stück) und dabei natürlich das vom ersten Jeep entdeckte Tier nach einem gellenden Begeisterungsschrei der Insassen das Weite sucht und somit für die Nachfolgenden nicht mehr zu sehen ist.
Wir bitten daher unseren Fahrer, einen anderen Weg zu wählen, er biegt auf einen für uns nicht als solchen erkennbaren Weg ab und plötzlich sind wir für die restliche Zeit, die wir im Park verbringen, so gut wie alleine. Es offenbart sich uns eine Fauna, die ich bisher nur aus dem Zoo kannte – wenn überhaupt.

DSCF5978Als wir erneut unvermittelt halten, sehen wir etwa fünf Meter vom Weg entfernt einen Elefanten. Er sieht uns ebenfalls und so verbringen wir ein paar Minuten damit uns einfach gegenseitig anzustarren.
Plötzlich setzt sich der Elefant in Bewegung, kommt genau auf uns zu, versteckt sich neben einem Busch und schaut uns von dort aus neugierig an. Würden wir die Hand ausstrecken, könnten wir ihn berühren, aber das lassen wir lieber. Immerhin handelt es sich um ein freilebendes, wildes Tier, da weiß man ja nie…

DSCF6016Neben Waranen, Wiedehopfen, Krokodilen, Bienenfressern (mein persönlicher Favorit an diesem Tag, ich kann mich nicht entsinnen, jemals einen derart schönen Vogel gesehen zu haben), diversen Flamingos, unzähligen Vögeln, die wir alle erklärt bekommen, an die mich aber nun wirklich nicht mehr erinnern kann, sehen wir auch Wasserbüffel, die uns neugierig betrachten, Mungos, die uns auszulachen scheinen und – in einem abgelegenen Wasserloch – ein Elefantenpaar, das dort Momente trauter Zweisamkeit in der Abgeschiedenheit verbringt.

Als wir den Park verlassen, ist es schon dunkel. Die letzten Stunden werden mich noch lange begleiten, so toll sind die Eindrücke, die ich dort sammeln durfte. Die Rückfahrt ist – ebenso wie die Hinfahrt und die Safari an sich – geprägt vom Gesang meiner Begleiterinnen, die den Soundtrack von „The Lion King“ zum Besten geben.

Anbei ein paar Fotos noch nicht in diesem Artikel gezeigter Entdeckungen auf der Safari:DSCF6006
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14. Tag, Sonntag, 09.03.2014: WEERAWILA – UNAWATUNA – Zeit zum Relaxen

Immer an der Südküste entlang bringt uns der Bus in den kleinen Badeort Unawatuna. Am Nachmittag springen die meisten von uns in den Pool, während andere in einem der Travellercafés ihre neuesten Urlaubserlebnisse twittern.

Unser Nomadenleben geht weiter, wir packen erneut die Koffer: Der letzte Ortswechsel steht an. Den Yala-Nationalpark hinter uns lassend, kämpft sich der Bus tapfer an der Südküste entlang gen Unawatuna.

Ich schlage – wie immer – den Baedeker auf, suche Unawatuna und finde folgenden Text:
„Der schon seit den frühen 1970er-Jahren vor allem bei Rucksack- und Pauschaltouristen und zuvor schon bei holländischen Militärs und Kaufleuten überaus beliebte Strand von Unawatuna bezieht seine Popularität vor allem aus seiner Nähe zu der an historischen Sehenswürdigkeiten reichen Hafenstadt Galle.“

Es folgt eine Seite Beschreibung des Strandes von Unawatuna und dann noch einmal zweieinhalb Seiten Beschreibung der Strände in der Umgebung von Unawatuna.
Damit ist also schon mal klar, was wir hier kulturell in den nächsten Tagen machen werden, nämlich gar nichts. Um das guten Gewissens tun zu können, statten wir auf dem Weg noch dem bereits eben erwähnten Städtchen Galle einen Besuch ab.

Bereits der Name „Galle“ birgt ein kurioses Geheimnis:
„Galle“ stammt von „Gala“ ab, dem singhalesischen Wort für Berg, Fels oder Rastplatz. Die Holländer verwechselten Gala mit „Gallus“ (lateinisch für „Hahn“). Daher ist im Wappen der Holländisch-Ostindischen Kompanie der Hahn als Wappentier abgebildet.

Die Stadt hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich: Erstmals erwähnt wurde der Hafen der Stadt im 14. Jahrhundert und seither haben sich hier viele Nationen miteinander geprügelt: 1505 haben die Portugiesen die Stadt eingenommen und sind hier geblieben, bis 1640 die Holländer die Stadt eroberten. 1796 kamen dann die Briten vorbei, haben mal „Hallo“ gesagt und die Stadt von den Holländern kampflos übergeben bekommen. Dieser Einfluss verschiedener Kulturen lässt sich auch heute noch in Galle bewundern, insofern sage ich einfach mal „Danke“ an die Holländer, dass sie nicht die große Welle gemacht haben, als die Briten kamen.
Spaß beiseite: Es ist wirklich toll, wie gut die teilweise aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gebäude noch erhalten sind. Andererseits wäre es auch gut, der Stadt mal ein paar Eimer Farbe zu spendieren, denn an vielen Ecken gäbe es durchaus Bedarf, mal den Pinsel zu schwingen.

Dass im Prinzip jede Nation, die mal hier vorbeigeschaut hat, direkt Besitzansprüche geltend gemacht hat, ist wohl für jeden leicht verständlich, der einmal auf der mächtigen Befestigungsanlage, die die Stadt umschließt, gestanden und aufs Meer hinausgeblickt hat. Es ist einfach fantastisch!

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Traurige Berühmtheit erlangt hat die Stadt, als am 26.12.2004 eine mächtige Welle die Stadt überflutete, wobei auf dem ein Stück landeinwärts gelegenen Busbahnhof innerhalb weniger Minuten mehr als eintausend Menschen ums Leben kamen. Die singhalesische Sprache kannte bis zu diesem Zeitpunkt kein Wort für „Tsunami“.
Heute ist davon nichts mehr zu sehen, außer einer Steintafel an der Fassade des Fischmarktes, auf der die Stadt der Firma BASF für die großzügige Spende von drei Millionen Rupien (entspricht etwa 17000 Euro) zum Neuaufbau des durch die Flutwelle zerstörten Gebäudes dankt.

Wir flanieren durch die Straßen, da aber Sonntag ist und die meisten Geschäfte daher geschlossen sind, verlegen wir den großen Shopping-Trip auf morgen.

DSCF6065Einige von uns schauen auf der Rückfahrt zum Hotel noch bei einer Schildkröten-Farm vorbei, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Eier am Strand aufzusammeln, auszubrüten und die geschlüpften Tiere nach ein paar Tagen ins Meer zu entlassen. Zweiter Schwerpunkt ist das Aufpäppeln schwacher und kranker Tiere. Der Eintritt kostet lächerliche 500 Rupien (also etwa 2,80 Euro) und ich hoffe, dass das Eintrittsgeld auch wirklich eins zu eins der Einrichtung zugutekommt. 2,80 Euro sind für uns nicht viel Geld, in Sri Lanka kann man damit aber schon viel bewegen.

Auch wenn wir alle gehofft hatten, diesen Moment zu weit wie möglich hinauszögern zu können – jetzt ist er gekommen. Wir nehmen Abschied von Viraj, der für einen Tag zu seiner Familie heimkehrt, bevor die nächste Reisegruppe auf ihn wartet.

DSCF6045An dieser Stelle möchte ich Viraj meinen Dank aussprechen. Er hat sich um alle unsere Sorgen und Nöte gekümmert, war rund um die Uhr für uns da, hat das Programm so geändert, dass er für uns alle das Meiste herausholen konnte, hat uns geduldig alles (wenn es sein musste auch zehnmal) erklärt – kurz gesagt: Das, was er für uns getan hat, geht weit über die normalen Aufgaben eines Reiseleiters hinaus. Dafür vielen Dank, Viraj!

Kaum hat er uns verlassen, irren wir unkoordiniert durch die Gegend, wie eine Tierherde, die ihren Anführer verloren hat. Für den Rest der Reise wird uns keiner sagen, dass wir uns mit Sonnenmilch einreiben und mit Mückenspray einsprühen sollen, ob wir lange „schulterbedeckende und kniebedeckende Anziehkleidung“ oder feste Schuhe brauchen werden.
Einen letzten Rat gibt er uns aber noch im Bus mit auf den Weg  – eine Warnung und eine Lebensweisheit, die speziell an die Mädels gerichtet ist:
Die Warnung: „Mit den Beachboys müsst ihr aufpassen, die wollen Euch Schmetterlinge zeigen.“ Briefmarkensammlungen sind in Sri Lanka wohl nicht so verbreitet wie bei uns früher…
Die Lebensweisheit: „Wenn es regnet und ich nicht nass werden möchte, muss ich eine Jacke anziehen.“
Ich lasse das jetzt mal unkommentiert im Raum stehen.
Die Mädels jedenfalls bekommen nun ihre wohlverdiente Revanche, nachdem die Männer ja bereits am achten Tag ihr Date mit den Wolkenmädchen hatte. Einige sind schon ganz wuschig und in froher Erwartung.
Diese wollen wir – ganz Gentleman-like – natürlich nicht enttäuschen, und so stürmen wir mit den Mädels am Abend die Strandbars von Unawatuna.

15. Tag, Montag, 10.03.2014: UNAWATUNA – Beachlife

Ein Entspannungstag in Unawatuna ist jetzt ganz nach unserem Geschmack: faulenzen, die Strandcafés durchprobieren und immer wieder in einer der Buchten abtauchen.

Entspannungstag in Unawatuna – die Händler reiben sich schon gierig die Hände.

Für uns beginnt ein sehr ungewöhnlicher Tag:
Kein kollektives Wecken um halb sieben, nicht ein einziger Wecker klingelt an diesem Morgen – Ausschlafen steht auf dem Programm. Viel mehr kann man in Unawatuna auch nicht machen. Außer natürlich an den Strand zu gehen. Und genau das werden wir dann auch heute machen.
Gestern haben wir auf die Schnelle mal den Strand am Hotel ausgetestet, da gibt es allerdings bestimmt schönere Ecken hier in der Gegend. „Strand am Hotel“ kann nämlich auch heißen, dass der kleine Strand (ich schätze ihn mal auf vier Meter mal zwanzig Meter, also ausreichend, wenn auch nichts besonderes) vom Hotel durch eine Hauptverkehrsstraße getrennt ist. Wenn die Tuk-Tuks mit ihren beeindruckenden zwanzig Stundenkilometern an unseren Köpfen vorbeiknattern, dann kann das halt doch auf Dauer beim Schlafen/Dösen/Lesen/Sonnen (und was man sonst so am Strand macht) stören.
Heute also der Strand am anderen Ortsende. Wobei: Ein unwichtiges Detail auf der heutigen Agenda will ich dann ja doch nicht verschweigen, denn da sind ja immer noch die Hände reibenden Händler: Die Mädels stürmen Galle.

DSCF6071Gestern hatten wir dort ja nur unser Kulturprogramm, heute gilt es den Ort leerzukaufen.
Wie das mit dem Handeln funktioniert, haben uns die Damen bereits an unserem neunten Tag in Kandy gezeigt, von daher sind wir Männer gespannt und wollen das Schauspiel natürlich nicht verpassen. Und so machen wir uns mit dem Bus auf nach Galle.

Für uns, die wir ja nun mit Recht sagen können, dass wir schon einiges von Sri Lanka gesehen haben, bietet sich hier ein völlig ungewohntes Bild: Es ist laut, es ist dreckig, es stinkt. Das wir so etwas bisher nicht miterlebt haben, könnte daran liegen, dass wir vorher nie wirklich in einer Stadt gewesen sind. Zumindest, wenn man Kandy mal außen vor lässt, aber die Stadt haben wir ja im Prinzip auch nicht wirklich in ihrer vollen Geschäftigkeit erlebt, denn immerhin war es schon dunkel, als wir dort angekommen sind.

DSCF6070Ansonsten ist Galle vom Aufbau her Kandy ziemlich ähnlich: Kandy bestand aus drei parallel verlaufenden Straßen, in Galle sind es derer vier, die wie Finger an der Hand alle von einem zentralen Punkt abzweigen.  Hier reiht sich ein Geschäft an das andere, es wird mit Stoffen gehandelt, mit Elektroartikeln, Autoreifen, Ersatzteilen, zwischendurch immer mal wieder ein Händler, der Gewürze feilbietet. An manchen Ecken sind Markthallen mit Obsthändlern zu finden, an der Meerpromenade liegt der Fischmarkt.
Nachdem sich die Mädels abgesetzt haben um Kleider zu kaufen, durchstreife ich mit der restlichen Männerfraktion die Straßen, womit wir dann aber auch relativ schnell fertig sind. Einer von uns kauft Tee, ein anderer Gewürze, ich möchte mich noch im alten Teil der Stadt umschauen. Dort waren wir zwar schon am gestrigen Tag, heute sind aber die Geschäfte geöffnet. Also lassen wir das geschäftige Handelsviertel hinter uns und machen uns zu Fuß auf zur Altstadt.
Unterwegs verfluche ich mich mehrfach selbst dafür, dass wir kein Tuk-Tuk genommen haben, denn wenn es durch die gnadenlos vom Himmel brennende Sonne schon extrem heiß ist, so macht es die Hitze des Asphaltes, über den wir laufen, schier unerträglich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, nur unterbrochen durch einen Abstecher in einen Souvenirladen voller Kuriositäten und Hässlichkeiten, erreichen wir die Altstadt von Galle und stehen mitten im Handwerkerviertel.
DSCF6076Alleine ist man hier nie, denn an jeder Ecke treffen wir auf bekannte Gesichter. Aber nicht, weil unsere Gruppe so groß ist und wir zu Hunderten das Stadtviertel gestürmt haben, sondern eher, weil die Grundfläche es nicht zulässt, sich dauerhaft aus dem Weg zu gehen. Und so tauschen wir uns alle paar Minuten mit den anderen aus, was sie gekauft haben und wo es das zum besten Preis zu kaufen gibt. Nachdem wir Männer uns in einem riesigen, bunten Laden mit Mitbringseln eingedeckt haben (erstaunlich, dass Männern dafür genau ein einziges Geschäft völlig ausreicht), treffen wir uns mit den Mädels in einem Eisladen, in dem ich das beste Passion-Fruit-Eis meines Lebens esse. Okay, es war gleichzeitig auch mein erstes, von daher liegt die Messlatte nicht allzu hoch, aber es war wirklich göttlich.
Nachdem ich noch ein wenig über die Stadt Galle zum Besten gebe (unser Reiseleiter hat uns ja schon verlassen, und einer muss den Job ja machen), planen wir gemeinschaftlich den weiteren Verlauf des Tages. Das geht schnell, denn zur Auswahl stehen der Strand oder alternativ der Strand. Wir entscheiden uns einstimmig für den Strand, steigen in ein Tuk-Tuk, fahren zum Hotel, treffen und kurz darauf in der Lobby und machen uns erneut auf den Weg.

Wir Männer hatten es schon fast vergessen, die Mädels garantiert nicht: Die Beach-Boys warten schon auf sie. Versprochen wurden ihnen knackige Mittzwanziger, durchtrainiert, braungebrannt, Typ Surflehrer. Ich formuliere es mal so… Nein, ich formuliere es lieber gar nicht, womit unsere Mädels da konfrontiert wurden – Der Gentleman schweigt und genießt.
Der Rest des Tages verläuft unspektakulär, ich schaffe es zum ersten Mal in diesem Urlaub ein paar Kapitel meines Buches zu lesen. Der Urlaub scheint endgültig begonnen zu haben…

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16. Tag, Dienstag, 11.03.2014: UNAWATUNA – COLOMBO – Wiederauferstandenes Galle

Noch einmal erwartet uns auf unserer Reise eine Portion Kultur: Im nahen Städtchen Galle begeben wir uns mit Tuk-Tuks auf Entdeckertour in die holländische Kolonialzeit und streifen über die lebhaften Märkte. Gayesh erinnert uns aber auch an den dunkelsten Tag der Geschichte Galles im Dezember 2004: „Die Stadt wurde damals besonders stark vom Tsunami getroffen, umso erstaunlicher ist es, wie lebendig und fröhlich sie heute wieder ist.“ Über die neue Autobahn geht es danach in die Hauptstadt Colombo und dann schnurstracks zum Flughafen. Abends Flug mit Qatar Airways nach Doha bzw. mit Turkish Airlines nach Istanbul.

Die Reisebeschreibung für den heutigen Tag lässt die Vermutung zu, dass wir noch richtig aktiv werden müssen. Müssen wir aber nicht, denn die Besichtigung Galles haben wir wie berichtet bereits Vorgestern erledigt, auch an den Punkt „Streifen über die lebhaften Märkte“ können wir einen Haken machen. Die Händler liegen wahrscheinlich seit unserer Invasion am gestrigen Tage sturzbetrunken in der Ecke der Dorfkneipe und feiern dort, dass sie mit uns ihren Jahresumsatz realisiert haben.

Der Tag beginnt also so, wie der letzte Tag geendet hat: Mit unkoordiniertem Herumliegen am Strand. Einige nutzen die letzten Stunden, um endlich einmal die Postkarten zu schreiben, die sie bereits in den ersten Tagen gekauft und seither völlig ignoriert haben. Aber ich sag mal: Besser spät als nie.
Nachdem ich mich ausgiebig über meine Mitreisenden und ihre Aufschieberitis lustig gemacht habe, verkrümel ich mich heimlich in mein Hotelzimmer und schreibe noch ein paar Postkarten.
In Anbetracht der Tatsache, dass das Porto für eine Karte per Luftpost fünfundzwanzig Rupien kostet, was nach aktuellem Wechselkurs etwas mehr als vierzehn Cent entspricht, gehe ich es nicht davon aus, dass die Karten jemals ankommen, aber so kann ich immerhin sagen: Der Wille war da.

Dann ist es soweit, wir müssen unsere Zimmer räumen. Der Concierge bringt meinen Koffer zum Bus, wo auch schon die Anderen mit ihren Koffern warten. So ungern ich den Gedanken zulassen möchte: unsere Zeit ist gekommen. In etwas mehr als neun Stunden werden wir das Flugzeug betreten und das Land verlassen. Wehmut macht sich breit und je mehr Zeilen ich hier tippe, desto bewusster wird es mir, dass eine grandiose Zeit zu Ende geht und ich mich nun von vielen netten Menschen trennen muss.

Am Flughafen tausche ich meine verbliebenen Rupien um, die Mädels schaffen es selbst dort noch, einen Laden zu finden, der ihnen für 2,80 Euro einen Kühlschrankmagneten als letztes Andenken an den Urlaub verkauft.

Gottseidank kann man im Flughafenrestaurant mit Dollar und Euro bezahlen, so ist dennoch für uns alle die Henkersmahlzeit gesichert.

17. Tag, Mittwoch, 12.03.2014: RÜCKFLUG NACH EUROPA

Nachts bzw. vormittags Weiterflug in die Heimat. Ankunft am Morgen, über Istanbul kommend am Vormittag.

Mitten in der Nacht kommen wir in Doha an, ich bin topfit, obwohl es nach meiner inneren Uhr mittlerweile halb vier morgens ist.

Bis hierher haben wir den Weg gemeinsam gemeistert, nun ist es an der Zeit Abschied zu nehmen. Wir trinken noch gemeinsam einen Kaffee (den ersten seit fast drei Wochen – wer mich kennt, weiß, was das bedeutet. Alleine deshalb schon werde ich diesen Moment niemals vergessen. Deshalb und aus einem anderen Grund).
Als wir zum Gate kommen, wo wir uns ein letztes Mal „Auf Wiedersehen“ sagen werden, steht dort die versammelte Mannschaft bereit und singt mir ein Geburtstagsständchen. Ich bin überwältigt und gleichzeitig unendlich dankbar. Das zeigt ein letztes Mal, mit was für tollen Menschen ich unterwegs sein durfte. Ich habe die Tränen in den Augen stehen und schiebe das auf die Überraschung des Liedes. Das ist gelogen, denn eigentlich schmerzt es mich, dass wir nun auseinandergehen, aber so ist es nicht ganz so peinlich.

Dann ist es soweit, wir werden aufgerufen. Das Boarding beginnt. Als ich auf meiner Bordkarte „Reihe 11“ lese, schwant mir nichts Gutes, und als ich sitze sind meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Vor mir sitzt ein Paar mit Kleinkind, nicht älter als ein Jahr. Hinter mir sitzt eine Mutter mit ihrem Kind, ich würde es auf drei bis vier Jahre schätzen. Was soll ich sagen? Kurz gefasst: Das Kind hinter mir schreit vom Einsteigen bis zum Start, dann übernimmt das Blag vor mir, das hält dann aber auch den gesamten Flug über durch. In dem kurzen Moment, wo es ruhig ist (wahrscheinlich muss es gerade Luft holen), beschließt die Frau, dass es wohl gewickelt werden muss, was darin resultiert, dass es schreit, als würde es gerade auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Obwohl ich zwei Paar Ohropax in und die Kopfhörer auf den Ohren habe und den Film auf voller Lautstärke laufen habe, ist es fast unerträglich laut.
An der Stelle frage ich mich, ob es unbedingt sein muss, dass drei Menschen knappe zweihundertfünfzig andere Menschen derartig terrorisieren müssen, oder ob man mit einem Kleinstkind nicht einfach mal zu Hause bleibt, statt ans andere Ende der Welt zu fliegen. Ist ja schließlich nicht so, als hätten sie sich das nicht ausgesucht.
Während ich so vor mich hin sinniere und im Geiste alle Möglichkeiten durchgehe, wie ich die drei vor mir umbringen könnte, landen wir auch schon. Ich bin wie gerädert und mit den Nerven am Ende.
Umso praktischer ist es da, dass die Schlange an der Passkontrolle ewig lang ist und ich so noch mehr Zeit habe, meinen Gedanken zu frönen. Wenigstens sind wir wieder in Deutschland, was spätestens an der Geschwindigkeit zu erkennen ist, mit der die Menschen an der Passkontrolle abgefertigt werden.
Dann bin ich auch schon dran. Die junge Dame am Schalter nimmt meinen Reisepass entgegen, scannt ihn ein, schaut den Pass erneut an, schaut mich an, ich bekomme Puls. Das gleiche Theater hatte ich doch schon bei der Einreise nach Sri Lanka, wo man mich fast nicht rein gelassen hätte, weil der Name im Pass nicht mit dem Namen auf dem Flugticket übereinstimmt. Ach ja: Flugticket. Das habe ich ihr ja gar nicht gegeben, also kann es daran schon mal nicht liegen.
Dann fragt sie mich nach meinem Führerschein, den ich ihr kommentarlos überreiche. Ich habe ja ein gewisses Talent dafür, Polizeibeamte in Situationen anzupöbeln, in denen man das besser sein lassen sollte. Insofern habe ich mich noch gut im Griff. Als sie dann noch meinen Personalausweis sehen möchte, traue ich mich doch ganz neutral nachzufragen, warum sie das sehen wolle. Sie antwortet, die Dokumente seien 2012 als gestohlen gemeldet worden.
Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Damals habe ich meine Geldbörse verloren und den Verlust bei der Polizei gemeldet. Als sie ein paar Tage später bei der Polizei abgegeben wurde, habe ich sie dort abgeholt, den Empfang quittiert und bin wieder gegangen. Dass ich zusätzlich dann noch die Verlustmeldung hätte zurücknehmen müssen, war  mir bis gerade nicht bekannt. Da hätte die Polizei ja auch mal selbst rauf kommen können, dass ich meine Dokumente wiedererlangt habe, zumal sie mir diese ja selbst übergeben hat. Normalerweise wäre das jetzt für mich wieder eine Steilvorlage, einen dummen Spruch loszulassen, aber als ich ihn schon auf der Zunge spüre, schlucke ich ihn herunter, nehme meine Dokumente in Empfang, wünsche der jungen Dame am Schalter noch einen schönen Tag und verlasse den Sicherheitsbereich.

Ich habe nun wieder deutschen Boden unter den Füßen, die Heimreise noch vor mir und eine Reise voller unvergesslicher Eindrücke hinter mir. Danke an alle, die diese Reise mit mir unternommen haben. Ihr habt mir eine großartige Zeit beschert!

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