22.04.2008

Pier21 Heute gut versteckt inmitten des Hafens gelegen und nur über eine unscheinbare Lieferantenzufahrt zu erreichen, steht dieser Ort auf dem ersten Platz der Liste historisch bedeutsamer Orte in Kanada: Pier 21.
Beim Pier 21 handelt es sich um den Pier im Hafen, an dem zwischen 1920 und 1971 ca. 1.5 Millionen Immigranten nach Kanada eingereist sind. Mit großem Aufwand in ein Museum umgewandelt und mit Liebe zum Detail eingerichtet, kann der Besucher auch heute noch den Weg der Immigranten nachvollziehen. Nach meinem Besuch dort und einem anschließenden Vergleich muss ich doch feststellen, dass die Einreise heutzutage (wohl auch aufgrund der Vereinfachung der Einreisebestimmungen in den späten 20er Jahren) doch unverhältnismäßig einfacher ist.
Die Einreiseprozedur dauerte im Allgemeinen weniger als einen Tag, Verletzte oder Kranke wohnten bis zu ihrer Genesung auf dem Pier. Den Rekord stellte eine niederländische Familie (Ehepaar mit zwölf Kindern) auf, die dort sechseinhalb Wochen verbringen mussten. Schon damals stellte die Regierung den Immigranten auf dem Pier Landsleute zur Seite, die die Prozedur vor längerer Zeit selbst durchlaufen hatten und den Immigranten somit mit Rat und Tat zur Seite stehen konnten.

Georges Island Vom Pier aus hat man die beste Aussicht auf Georges Island. Diese Insel, bereits desöfteren erwähnt und im Fotoalbum zu finden, ist übrigens das kanadische Pendant zu Abu Ghraib. Sie repräsentiert ein ziemlich dunkles Kapitel der kanadischen Geschichte, das gerne und erfolgreich totgeschwiegen wird.
Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg gehörte diese Insel zum „Halifax Defence Complex“, diente also als Feste zur Verteidigung gegen Feinde. Diese Information findet sich in jedem Reiseführer.
Erst seit dem 20. Juni 2005 bekennt sich Halifax „öffentlich“ (in Form einer sehr versteckt aufgestellten, aufgrund ihrer Größe leicht zu übersehenden Informationstafel) zu ihrer Verwendung der Insel: Seit der „Order of Deportation“ im Jahr 1755 diente die Insel als Gefängnis für die Akadier, die in Neuschottland restlos ausgelöscht werden sollten, ebenso wie ihre Kultur und ihr Kulturerbe. Die „Infrastruktur“ der Insel war allerdings so schlecht, dass die Insel allgemein als nicht bewohnbar galt. In den folgenden zehn Jahren wurden auf der Insel geschätzte 2,000 Menschen interniert, weitere mehrere Tausend wurden direkt nach Europa abgeschoben.

Nur wenige Meter von diesem Ort entfernt, genauer gesagt am Pier 6, ereignete sich übrigens am 06.12.1917 eine der größten Katastrophen in der Geschichte Nordamerikas.
Während des ersten Weltkrieges galt der Hafen von Halifax als militärischer Hub. So kam es, dass an jenem Tag der französische Munitionsfrachter im Hafenbecken unterwegs war. Dort kollidierte das Schiff mit dem norwegischen Schiff Imo. Die Kollision an sich war nicht dramatisch, jedoch entstanden dabei Funken, die sofort das Benzol der Mont Blonc in Brand setzten. Die Kollision und der daraus folgende Brand lockten tausende Schaulustige an den Hafen.
Schnell griffen die Flammen jedoch auf die restliche Ladung über. Laut offizielle Angaben hatte die Mont Blanc folgende Güter geladen:
35t Benzol, 63t Schießbaumwolle, 2,300t explosive Pikrinsäure und 200t TNT. Es kam folglich zu einer Explosion, die noch im knapp 450 Kilometer entfernten Cape Breton zu hören war. Die enorme Druckwelle der Explosion entwurzelte Bäume verbog Eisenbahnschienen, zerstörte praktische alle Gebäude im näheren Umkreis und zerstörte jede Fensterscheibe im Umkreis von 70 Kilometern. Ein Kanonenrohr wurde fast einen Kilometer weit fortgeschleudert. Noch weiter flog ein Anker, der eine halbe Tonne wog.
Da sich viele Schaulustige im Hafen drängten, fiel die Opferzahl entsprechend hoch aus: Die Zahlen schwanken in den verschiedenen Quellen zwischen 1,600 und 2,000 Toten, zusätzlich gab es mehrere Tausend Verletzte. Von den 50,000 Einwohnern wurden von einer Minute auf die andere 25,000 obdachlos.

 {flv width=“600″ height=“480″}The Halifax Explosion – Nearer My God To Thee{/flv}

 

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