7. Tag, Mittwoch, 10.11.2010

HAVANNA – CIENFUEGOS Stadt der Zuckerbarone

Per Bus geht’s weiter nach Cienfuegos an der Jagua-Bucht. Die Zuckerbarone machten in dieser Stadt ein Vermögen – ihre Prachtvillen zeugen noch heute davon. Wir bummeln über den Bauernmarkt und besichtigen das Terry-Theater am Hauptplatz. 25 Kilometer vor der Stadt liegt der Jardín Botánico Soledad, der älteste botanische Garten Amerikas. Wir bewundern 2000 Pflanzensorten und 250 Palmenarten.

Zum ersten Mal seit meiner Ankunft hier in Kuba werde ich mit Kopfschmerzen wach. Da kommt es mir sehr gelegen, dass wir eine mehrstündige Busfahrt vor uns haben.

Beim Frühstück erfahre ich, dass Stefanie die Reise aus gesundheitlichen Gründen hier in Havanna beenden und heute Abend mit dem Flugzeug nach Hause fliegen wird. Das finde ich nachvollziehbar, denn es ist teilweise schon extrem anstrengend, und so habe ich größten Respekt vor dieser Entscheidung. Stefanie, es ist schade, dass Du nicht mehr dabei bist. Ich wünsche Dir alles Gute für die kommende Zeit!

Die Autopista ist wie leergefegt, die Straßen abseits der Autobahn holprig. Mikkel nutzt die Gelegenheit uns eine Lektion zum Thema Nummernschilder zu erteilen.

 


Exkurs Nummernschilder

In Kuba ist anhand der Nummernschilder erkennbar, aus welcher Provinz das Fahrzeug stammt. Dies wird durch den ersten der insgesamt drei Buchstaben angezeigt. „H“ heißt zum Beispiel, dass das Fahrzeug aus La Habana kommt, das „F“ steht für Cienfuegos.

Zusätzlich gibt es bei den Nummernschildern noch einen Farbcode, der anzeigt, wem das Auto gehört::

Blau: Staatliche Fahrzeuge
Gelb: Privatautos
Schwarz: Fahrzeuge der Botschaft
Orange: Ausländer, die in Kuba leben und arbeiten
Rot: Mietfahrzeuge
Grün: Verteidigungs- und Innenministerium
Weiß: alle anderen Ministerien (insgesamt 6 Stück, daher gibt es nur 6 Autos mit weißem Nummernschild in ganz Kuba
Rot: Volksvertreter, die Fahrzeuge sind alle Ladas (dadurch von Mietautos zu unterscheiden), insgesamt gibt es davon 170 Fahrzeuge in Kuba

 


Wenn man durch Cienfuegos fährt, ist deutlich zu sehen, dass hier generell mehr Geld vorhanden ist als zum Beispiel in Havanna. Die Fassaden der Häuser sind größtenteils in gutem Zustand, die Fußgängerzone ist prachtvoll und gepflegt.

Seinen (relativ zu betrachtenden) Reichtum verdankt Cienfuegos dem Zucker, den hier stand schon im Jahr 1751 die erste Zuckermühle. Auf seine Blütezeit musste die Region aber noch bis ins 19. Jahrhundert warten, als Cienfuegos zum wichtigsten Umschlagplatz für Zucker wurde.

Der Bedarf an Arbeitskräften stieg ins Unermessliche und da es zu dieser Zeit Mode war, sich billige Arbeitskräfte in Afrika zu besorgen, machten auch die Plantagenbesitzer aus Cienfuegos von dieser Praxis Gebrauch. Nach kurzer Zeit gab es weit mehr Sklaven als Weiße in der Region. Aus Angst vor Unruhen und Aufständen holte der Gouverneur französische Siedler aus den verschiedensten Ländern nach Cienfuegos, jedem, der herkam, wurde die Überfahrt bezahlt und kostenlos Land zur Verfügung gestellt.

Dass sich die französischen Siedler in ihrer neuen Heimat kräftig ausgetobt haben, ist auch heute noch unübersehbar.

Wir halten am zentralen Platz an, der südländisches Flair hat. Rings um den Platz sind einige bedeutende Gebäude angeordnet. Ungewöhnlich ist, dass hier, mitten im Stadtzentrum, ein Schulgebäude steht. Zu verdanken haben das die Einwohner den Franzosen, denn diesen war Bildung wichtiger als Religion. Deswegen wurde das Schulgebäude auch in verhältnismäßig kurzer Zeit gebaut. Bedeutend länger hat der Bau der Kirche gebaut und dass Religion unwichtiger war, ist auch hier zu sehen: Ähnlich der bereits erwähnten Kirche Havanna ist auch die Kirche in Cienfuegos asymmetrisch gebaut. Lag es in Havanna an den geologischen Gegebenheiten, dass der linke Kirchturm schmaler ist als der rechte, so ist in Cienfuegos aufgrund der geringen Wertschätzung der rechte Turm kleiner als der linke.

Das berühmte Terry-Theater, das ebenfalls an diesem Platz liegt, gilt als das schönste Theater Kubas (auch wenn es nur über die zweitbeste Akustik verfügt). Das Interieur zeigt ebenfalls den französischen Einfluss. Es bietet Platz für 1400 Zuschauer, der größte Teil des verwendeten Materials für die Inneneinrichtung stammt aus Europa.

Wir haben etwa eine Stunde Freizeit um uns die Umgebung anzuschauen, ich nutze die Zeit und laufe durch die Seitenstraßen. Erstaunlich: Auch wenn sich hierher eher selten Touristen verirren dürften, sind selbst in den kleinen Gassen die Fassaden der Häuser in optisch gutem Zustand. Ein Blick durch die ein oder andere offen stehende Eingangstür offenbart eine andere Welt, es ist halt doch mehr Schein als Sein. Trotzdem finde ich es gut, dass zumindest auf die äußere Optik Wert gelegt wird.

Das Problem der Häuser ist eigentlich hausgemacht: Dadurch, dass die UNESCO (wenn ich das richtig verstanden habe) die Fassaden sämtlicher Häuser in Kuba zum Kulturerbe erklärt hat, ist es unerheblich, ob der Hausbesitzer über Geld verfügt oder nicht. Es ist schlichtweg verboten, eigenständig die Häuser zu renovieren, es muss erst ein Sachverständiger von der UNESCO entsandt werden, der die Arbeiten leitet und beaufsichtigt.

Unser nächstes Ziel ist ein Palast direkt am Meer. Nach einer kurzen Besichtigung gibt es auf der Terrasse einen „Begrüßungscocktail“. Ich stelle mir die Frage, warum es am siebten Tag einen Begrüßungscocktail gibt, wage es aber nicht, die Frage laut auszusprechen. Wahrscheinlich hat Mikkel einfach nur Angst, dass wir so langsam wieder nüchtern werden könnten. Die Mischung des Cuba Libre ist Gott sei Dank human, sonst hätten wir ein ernsthaftes Problem bekommen, denn seit wir in Cienfuegos angekommen sind, knallt die Sonne vom Himmel.

Das heutige Programm folgt einem strammen Zeitplan und so brechen wir wieder auf, unser nächstes Ziel ist der Botanische Garten. Hier hat die Harvard University auf einem schier endlosen Gelände die exotischsten Pflanzen zusammengetragen. Zumindest bei den einheimischen Pflanzen können wir punkten, denn einige davon haben wir in den letzten Tagen schon gesehen; beim Mahagoni-Baum scheitern wir jedoch kläglich.

Mit der neuen Erkenntnis, woher der Teleskopbaum seinen Namen hat (Die wurstförmigen Früchte sind sehr hart und erreichen bei einer Länge von bis zu sechzig Zentimetern ein Gewicht von bis fünf Kilo und wer eine dieser Früchte abbekommt, sieht eine Menge Sterne. So lautet zumindest die Theorie unseres Local Guides) steigen wir wieder in den Bus und fahren in den „Club Amigo“, unser Hotel. Ein langer und anstrengender Tag neigt sich dem Ende. So dachte ich, doch Mikkel verspricht, heute Abend sämtliche Getränke zu bezahlen, was ein lobenswertes Vorhaben ist, handelt es sich doch um ein All-Inclusive-Hotel. Ich wage bereits jetzt die These, dass das ein anstrengender Abend wird.

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