6. Tag, Samstag, 01.03.2014: ANURADHAPURA – POLONNARUWA – Dschungelverstecke

Abfahrt nach Ritigala°: Wir dringen in den Gebirgsdschungel Sri Lankas vor, wo tief im Dickicht die Reste eines geheimnisvollen Waldklosters ruhen. Teils restauriert, teils der Natur überlassen, gibt dieser mystische Ort abseits der üblichen Touristenwege immer noch viele Rätsel auf. Apropos Rätsel aufgeben: Das gilt auch für unsere nahen Verwandten im Tierreich: die Primaten. Bei Polonnaruwa erwartet uns ein Camp mit Forschungsauftrag…

Die Fahrt beginnt äußerst unspektakulär. Nachdem wir heute mal gepflegt ausschlafen durften und erst um 07.00 Uhr beim Frühstück sein mussten (finde ich recht luxuriös, schließlich sind wir ja im Urlaub), fährt der Bus um 08.00 Uhr ab.

DSCF5547Es könnte jetzt einen falschen Eindruck vermitteln, wenn ich schreibe, dass wir ab einem bestimmten Punkt die Zivilisation hinter uns lassen, denn Städte oder Dörfer, wie wir sie gewohnt sind, gibt es hier nicht, eher hier und da mal eine lose Ansammlung von Häusern entlang einer Straße.
Ich muss es trotzdem schreiben, denn auch aus einem Nichts kann man immer noch in ein absolutes Nichts fahren. Und das tun wir auch. Irgendwann kommt der Bus nicht mehr weiter und es warten kleine geländegängige Jeeps auf uns. Je acht Personen entern ein Gefährt und weiter geht’s. Die Straße die eigentlich für einen dieser Jeeps alleine schon zu eng ist, aber dennoch für beide Fahrtrichtungen vorgesehen ist, hört irgendwann unvermittelt auf und der Lehm weist uns den weiteren Weg. Es geht über Stock und Stein, durch tiefe Gräben und große Wasserlöcher. Zwischendurch erreichen wir Schräglagen, bei denen ich mich krampfhaft irgendwo festhalte, da ich befürchte, dass jeden Moment das Gefährt umkippen könne. Gleichzeitig zolle ich dem Fahrer großen Respekt, denn er steuert den Jeep so sicher durch den Dschungel, als handelte es sich um eine asphaltierte dreispurige Autobahn.
Auf einer Lichtung halten die Jeeps an. Die Straße hört auf, ab hier können wir nur noch zu Fuß weitergehen.
Was jetzt folgt, macht richtig Laune, denn wir kämpfen uns über unbefestigte Wege durch den Urwald. Wer schon mal eine Geocaching-Tour durch zerbombte Bunkeranlagen im Wald gemacht hat: Genauso sieht es hier aus.

DSCF5554Wir umrunden einen riesigen Felsen und stehen plötzlich vor einem zerfallenen Gebäude, das wohl früher einmal die Bibliothek eines Klosters gewesen sein soll.
Da früher auf Sri Lanka nicht viel anders gebaut wurde als heutzutage (als Basis für ein Haus dienen Steinsäulen, auf denen die Holzkonstruktion aufgesetzt wird), sind die Steinsäulen des Gebäudes noch sichtbar, der Rest ist leider verfallen.
Wir kämpfen uns weiter den Berg rauf. Zwar dürfen wir nicht bis ganz auf die Spitze des Berges aber wird entdecken unterwegs mehrere Plateaus mit Ruinen uralter Gebäude. Neben der Bibliothek sehen wir noch einen Schwimmteich, das Haupthaus des Klosters und ein Badehaus. Dabei kommt auch die Allgemeinbildung nicht zu kurz und so erfahren wir unter anderem, wie die Menschen damals schon mit einfachsten Mitteln und guten Ideen zum Beispiel Klimaanlagen eingebaut haben.

DSCF5548Wir erreichen die letzte Ebene. Hier halten wir uns nur kurz auf, denn auf  den Steinüberresten sitzt eine Gruppe Waldmönche, die dort ihr Mittagessen einnehmen. Es ist ein friedliches Bild und wir wollen nicht stören. So nutzen wir die Gelegenheit und machen uns auf den Rückweg. Meine Gebete vom Hinweg wiederhole ich auf der Rückfahrt in dem Jeep mantraartig und hoffe, dass das Vehikel die Tortur der unbefestigten Wege übersteht.  Als wir es wieder zum Bus geschafft haben, starten wir unsere Fahrt zur Primatenforschungsstation.
Die Forschungsstation ist, naja,… das Wort „dufte“ fällt. Ja, es duftet. Undefinierbar. Egal, ich sag mal, Jugendherbergen haben auch ihren Luxus und Charme. Diese Unterkunft eher nicht. Aber es ist ja auch ein Forschungsauftrag, den wir hier erfüllen, und kein 5-Sterne-Hotelaufenthalt.
Wir treffen auf den Forscher, der uns mit seinen zwei Wissenschaftlern einmal ums Haus schickt und dann ein bisschen abseits vom Weg in die Büsche, um dort Loris zu suchen. Nach der Überwindung einer Strecke von etwa zweihundert Metern Luftlinie, was dann aber auch mal eine gepflegte Stunde Zeit in Anspruch nimmt. Die Guides sind sehr bemüht und leuchten mit ihren Rotlichtlampen jedes einzelne Blatt aus, und so schaffen sie es nach etwa fünfundvierzig Minuten auch, für uns einen Lori ausfindig zu machen. Der Rückweg zur Unterkunft dauert dann zwei Minuten.
Bemerkenswert an dieser Unterkunft ist das Qualitätsgefälle. Es gibt ein Haupthaus (hier sind die Männer untergebracht) und mehrere abseits gelegene Lodges. Das Haupthaus verfügt über Betten, Fenster ohne Mückengitter, Frischluftklimatisierung (so nennt man das, wenn es keine Klimaanlage gibt und man für Frischluft die Fenster öffnen muss. Blöderweise gibt es keine Frischluft, denn draußen steht sie genauso kompakt wie drinnen). Das war’s dann auch schon.
Die Mädels haben Topmodel-Villen mit Klimaanlage, Kühlschrank, Aufenthaltsraum, Galerie und W-LAN (!!!). Ich sag mal so: Ehre, wem Ehre gebührt. Daher sind auch unsere Topmodels in der Villa und nicht die Kerle.
Es gab mal ein Fernsehformat mit dem Namen „Big Brother“, wo mehrere Leute für eine definierte Zeit in einen Container gesperrt wurden. Anhand bestimmter Kriterien wurde festgelegt, wer in den Luxusbereich durfte, der Pöbel residierte unter einfachsten Bedingungen. Ich frage mich nur grade, wer das Drehbuch für unsere Veranstaltung verfasst und damit die Rollenverteilung festgelegt hat. Wenigstens dürfen wir mehrere Formate gleichzeitig erleben, denn Big Brother ist ja immerhin noch mit dem Dschungel-Camp kombiniert worden.

DSCF5573Wohlwissend, dass wir um fünf Uhr aus dem Bett geworfen werden und wohlwissend, dass dies in einem Desaster enden könnte, trinken wir diesen Tag bei einer Degustation verschiedener Arrak-Sorten unter den Tisch. Ich verabschiede mich um ein Uhr aus der Runde, ein paar andere machen wohl noch bis zwei Uhr, und einer sieht am nächsten Morgen so aus, als wäre er von dort direkt zum Bus gekommen.

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