9. Tag, Dienstag, 04.03.2014: KANDY – Zum Heiligen Zahn

Der vielleicht schönste Ort des Landes zieht buddhistische Pilger aus aller Welt in seinen Bann. Pünktlich zur Puja-Zeremonie besuchen wir den Tempel des Heiligen Zahns° mit seinem Schrein, der einen Eckzahn Buddhas birgt – das größte Heiligtum des an Heiligtümern nicht gerade armen Landes; entsprechend beeindruckend ist die ganz besondere Atmosphäre dieses Ortes. Anschließend suchen wir uns per Tuk-Tuk die schönsten Fotomotive rund um das zentrale Wasserreservoir, in dem sich das Grün der Hügel und die Palastgebäude spiegeln. Rhythmische Trommeln, artistischer Tanz – das ist das nächtliche Gesicht Kandys. Und Gayesh kennt den richtigen Ort, um die „Kandyan Dances“° live zu erleben.

Heute ist ein toller Tag! Warum? Weil wir zum ersten Mal so richtig ausschlafen können. Ist nach dem gestrigen Abend aber auch dringend nötig, denn der letzte Cocktail, den ich getrunken habe, muss schlecht gewesen sein. Um acht Uhr stehe ich auf und bringe meine Wäsche zur Rezeption. Drei Mal musste ich meine T-Shirts zählen, drei Mal habe ich ein unterschiedliches Ergebnis. Ich notiere auf der Laundry Note einfach mal die höchste Zahl, nämlich neun, und stapfe die Treppenstufen in Richtung Rezeption um den Auftrag zu erteilen. Dort zählt der Concierge nach und kommt nur auf acht T-Shirts. Ich finde, dafür dass ich ja im Urlaub bin und mit Kalkulationen oder sonstigen Zahlenspielen nichts zu tun habe, war ich mit meiner Zahl schon verdammt nah dran.
Danach mache ich mich in Begleitung einiger Mitreisender auf die Stadt zu erkunden. Da dies ja eine Bildungsreise ist, komme ich nicht umhin, den Baedeker einzupacken und an einigen Stellen publikumswirksam daraus zu zitieren. Die Rolle als Ersatz- oder auch Teilzeit-Reiseführer ist mir somit schon mal sicher. Warum ich das hier so explizit erwähne, wird meiner geneigten Leserschaft an späterer Stelle klar werden…

DSCF5695Wir besichtigen also den örtlichen Markt, an dem Obstsorten umgeschlagen werden, von denen wir nicht einmal wussten, dass diese überhaupt existieren. Daneben gibt es noch allerhand andere Waren, wie zum Beispiel Fisch und Fleisch (ordnungsgemäß bei 35°C ungekühlt auf der Verkaufstheke gelagert, wie es der Europäer gewohnt ist), aber auch Kunsthandwerk in Form von Holzelefanten oder Leder-Flipflops.

Bei den Stoffhosen wird der Ehrgeiz unserer weiblichen Begleitungen geweckt und sie beschließen, drei davon gemeinschaftlich zu erwerben. Wie wir ja bereits im Studium gelernt haben, ist in so einem Fall (gerade auf einem Basar, wo sowieso gehandelt wird) mit einem fetten Rabatt zu rechnen.
Und so handeln sie mit dem Ladenbesitzer, als ob es kein Morgen gäbe. Die Männer der Gruppe nutzen die Gelegenheit um sich die Füße zu vertreten und am anderen Ende des Marktes für alle eine Flasche Wasser zu erstehen.

Das geht bei Männern ganz einfach: Ich sage, dass ich gerne fünf Flaschen Wasser hätte, der Händler sagt, dass er gerne zweihundertfünfzig Rupien dafür hätte, ich zahle zweihundertfünfzig Rupien, bekomme die Wasserflaschen ausgehändigt, fertig ist der Deal.
So einfach kann ein Handel sein.

Bei den Frauen sieht es folgendermaßen aus:
Als wir nacherfolgreichem Aufsuchen des Händlers und für beide Seiten zufriedenstellender Verhandlung zu den Mädels zurückkehren, beginnen diese gerade mit den Preisverhandlungen. Ich fühle mich ein wenig wie auf dem Superbowl, wo ja auch zwei Teams gegeneinander antreten, die sich jeweils keinen einzigen Meter schenken. So ist das auch hier bei den Verhandlungen. Der Händler schlägt seinen Preis vor. Juristisch handelt es sich um eine „Invitatio ad Offerendum“, also die Einladung, ein (Gegen-)Angebot zu machen. Es wird diskutiert, verhandelt, erneut begutachtet, neu bewertet, erneut verhandelt. So geht es hin und her, bis sich schließlich beide Parteien auf den bereits zu Anfang vom Händler genannten Preis  einigen. Und so gehen beide Parteien zufrieden auseinander – der Händler, weil er seinen Preis durchsetzen konnte, und die Mädels, weil sie es geschafft haben, eine halbe Stunde knallhart zu verhandeln.

Um 14.30 Uhr wollen wir uns alle treffen um ein paar Verkaufsveranstaltungen zu besuchen. Wir beenden daher unseren Stadtrundgang etwa eine Stunde früher und suchen uns ein Restaurant, wo wir noch schnell etwas essen können. Das White House erscheint uns da ganz praktisch, denn dort gibt es im Erdgeschoss eine Bäckerei und eine heiße Theke, im Obergeschoss befindet sich ein A-la-Carte-Restaurant. Wir bestellen vier Portionen Chicken-Rice an der heißen Theke, wir gehen nach oben, setzen uns hin, bestellen Getränke und warten. Da ich bei der Bestellung extra noch frage, wie lange es in etwa dauern würde und die Antwort bekomme, dass es uns schnellstens an den Tisch gebracht werde, sind wir zunächst noch optimistisch. Die Zeit vergeht, nichts tut sich, wir fragen mehrfach nach, es tut sich noch immer nichts, wir bekommen die Rechnung gebracht, bezahlen die Getränke, noch immer wurde uns das Essen nicht gebracht.
Wir beschließen zu gehen, denn immerhin müssen wir in fünf Minuten am Hotel sein. Auf dem Weg nach draußen erfahren wir, warum das Essen nicht gebracht wurde: Der Reis war aus. Schön, dass man uns das vorher gesagt hat…
Aus irgendeinem ganz blöden Grund sage ich, dass ich schon mal vorlaufe zum Hotel um Bescheid zu geben, dass einige ein paar Minuten später kommen werden. Jetzt muss man dazu wissen, dass ich dafür nur fünfzig Meter die Straße lang laufen und dann links abbiegen muss, das Hotel ist dann das dritte Haus auf der rechten Seite.

Soweit die Theorie.
Ich schaffe es nicht pünktlich zum Hotel, ich schaffe es nicht einmal im akademischen Viertel zum Hotel. Nachdem ich mich königlich verlaufen habe, unterwegs drei Polizisten und zwei Wachleute nach dem Hotel frage (blöderweise weiß ich nicht einmal die Adresse, meine einzige Möglichkeit ist daher, ihnen den Schlüssel mit dem Hotelanhänger vor die Nase zu halten), und die mich einfach mal irgendwo hinschicken, nur nicht zum Hotel, überkommt mich eine leichte Panik. Orientierungslos irre ich quer durch die ganze Stadt, bis ich nach etwa einer Stunde rein zufällig vor dem Hotel stehe. Aufgrund dieser Aktion nominiere ich mich heute selber für den „Vollpfosten des Tages“.

DSCF5721Immerhin schaffe ich es rechtzeitig zum 16.00 Uhr Termin. Wir treffen uns vor dem Hotel, steigen in Tuk-Tuks ein und fahren ein Stück aus der Stadt heraus, bis wir schließlich das Kandyan Cultural Centre erreichen. Dort schauen wir uns eine Vorstellung an, während der den Zuschauern verschiedenste Kandy-Tänze vorgeführt werden. Zum Abschluss gibt es dann noch eine kleine Fakir-Show mit Feuerschluckern und Männern, die über glühende Kohlen laufen. Nach etwa einer Stunde ist die Veranstaltung zu Ende und wir machen uns auf den Weg zum nahegelegenen Zahntempel.

DSCF5722Als Buddha ins Nirvana übergetreten ist, wurden seine sterblichen Überreste eingeäschert (Die Geschichte habe ich ja bereits am 4. Tag in Mihintale erzählt). Der Legende nach sind dabei vier Zähne und ein Schlüsselbein in der Asche übrig geblieben. Ein Eckzahn ist im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgezogen und befindet sich seit dem achtzehnten Jahrhundert hier in Kandy im Dalada Maligawa. Jedes Jahr im Juli/August findet eine elftägige Zeremonie statt, bei der die Zahnreliquie feierlich mit einer Elefantenprozession durch die Stadt getragen wird.

IMG_3450Wir erreichen den Zahntempel gegen 18.30 Uhr, pünktlich zur Puja-Zeremonie. Diese findet dreimal täglich statt, wenn unter Trommelwirbel und Schalmei-Spiel für eine Stunde die schweren Silbertüren geöffnet und für die Gläubigen der Blick auf das Allerheiligste freigegeben wird. Dann platzt der Tempel vor lauter Pilgern förmlich auseinander. Wir lassen das Spiel auf uns wirken, flanieren am Allerheiligsten vorbei und werden zum Abschluss noch einen Blick auf die ältesten noch erhaltenen Schriften, für die hier im Tempel eine eigene Bibliothek erbaut wurde.

Der Abend endet in der Roof Top Bar bei ein paar leckeren und günstigen Cocktails.

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