Ich habe Angst vor morgen!

Gestern erreicht mich eine Nachricht, dass L. meine Startunterlagen für mich abholen könnte. Einerseits gut, denn so muss ich heute nicht schon mitten in der Nacht in Erding sein, um dies selbst zu erledigen. Andererseits nicht ganz so gut, denn so geht meine letzte Ausrede flöten, dieses zögerliche „Mal schauen, wenn ich es morgen schaffe, melde ich mich bei Dir“. Es steht also fest – ich starte beim Stadtlauf in Erding.

Eigentlich nicht spektakulär, schließlich geht es „nur“ um die 10km-Distanz. Aber hey, das Leben ist ja von sich aus schon voller Herausforderungen, da kommt es auf die ein oder andere Zusatzchallenge auch nicht mehr an.

Wenn ich mal an den Jahresanfang zurückblicke, zu dem Zeitpunkt, den wir traditionell nutzen um guten Vorsätze für das neue Jahr zu fassen, dann kann ich eines festhalten: Von Sport ist da nie die Rede gewesen, erst recht nicht vom Laufen.

Dann passierte jedoch im Laufe des Jahres folgendes:

  • Teilnahme am Wingsforlife World Run, bei dem mein Chef dankenswerter Weise die Startgebühr gesponsert hat. Klar, dass ich da wieder nicht den Mund halten konnte, sondern das vielmehr als eine „Super-Idee“ bezeichnet und begeistert meine Teilnahme zugesagt habe. Dieser Lauf war mein allererster Lauf überhaupt und ich bin mit (mich selbst beeindruckenden) 17,2km gelaufener Distanz aus der Nummer herausgegangen.
  • Teilnahme am Stadtlauf München, eigentlich nur aus schlechtem Gewissen, denn als frischgebackener Sportminister der Firma habe ich es allen Ernstes geschafft, Kollegen zur Teilnahme am Augsburger Stadtlauf zu überreden, nur um dann zu verkünden, dass ich selbst terminlich verhindert bin. Daher also zwei Wochen später meine Teilnahme in München, da dann natürlich über die Halbmarathon-Distanz. Beim Wingsforlife-Lauf hatte ich mich letztlich doch ein wenig geärgert, dass es nicht für die 21,1km gereicht hat und so konnte ich nun ohne Risiko testen, ob die Distanz machbar ist oder nicht. Die Vorbereitung für den Stadtlauf war intensiv: Ich hatte im Vorfeld die Streckenfühung auswendig gelernt und kannte jede Verpflegungsstation und (noch wichtiger) jede nahegelegene U-Bahn-Station, falls die Kondition doch nicht ausreicht. Im Ziel standen für mich und mein (nicht vorhandenes) Trainingsstadium herausragende 1:53h auf der Uhr, als die Ziellinie überquerte.
  • Teilnahme am ToughMudder, die ich nur meiner bekanntermaßen großen Klapp zu verdanken habe. Wenn sich zwei erwachsene Menschen über etwas unterhalten, dass sich schon beim ersten (unfreiwilligen) Hinhören als total bescheuert erweist, ist das letzte, was man tun sollte: Interesse anmelden. Infolgedessen war das letzte, was ich tat, bevor ich den Raum verließ: Interesse anmelden. Meine Damen und Herren, ich kann mich nicht erinnern, jemals zuvor etwas Vergleichbares getan zu haben. Diese Event ist total überflüssig, bescheuert, dreckig, eklig und zeitweise auch schmerzhaft. Aber es hat so viel Laune gemacht, dass Worte dies eigentlich nicht angemessen beschreiben können. Ich habe mich erstmals seit Langem wieder wie ein kleiner Junge gefühlt, der hemmungslos im Schlamm wühlen und mit dreckigen Klamotten heim kommen durfte. Und das dann noch mit liebenswerten Menschen in einem grandiosen Team durchstehen zu dürfen – das ist unbezahlbar.
  • Teilnahme am 14. Stadtlauf Erding. Jetzt kommen wir also zum aktuellen Thema. Die bisherige Auflistung meiner diesjährigen sportlichen Highlights soll verdeutlichen, dass nicht mehr viel spektakulär Neues möglich ist, ohne dass ich ernsthaft anfange zu trainieren. Eine Sache gab es aber noch: Beim Stadtlauf in München, der von SportScheck organisiert wird, gibt es den Service des Pacemakers, das sind Läufer, die ein bestimmtes Tempo laufen und daher zur Orientierung dienen. Beim Halbmarathon hatte ich mich beispielweise über lange Strecken an den 2-Stunden-Pacemaker rangehängt, um eben jene Zeit nach Möglichkeit zu erreichen. Besondere Bedeutung wurde auf der ebenfalls angebotenen 10km-Distanz dem 50-Minuten-Pacemaker beigemessen und der Kommentator auf der großen Veranstaltungsbühne wurde nicht müde, die 50 Minuten als „Schallmauer“ für Amateurläufer zu bezeichnen. Da wusste ich: Irgendwann probiere ich das auch mal. Heute war es dann also so weit. Um 15:30h stehen wir an der Startllinie, ein Schuss fällt, die Masse setzt sich in Bewegung, ich laufe ebenfalls los. Das Tempo ist extrem hoch, aber ich habe bereits in der Vergangenheit die Erfahrung, dass es nicht schaden kann, anfangs ein hohes Tempo mitzulaufen. Wenn ich dann später einbreche, habe ich immer noch ein paar Meter zur Erholung, bis meine Bekannten mich einholen. Erding selbst zeigt sich von seiner schönsten Seite: Samba-Combos, Blaskapellen und haufenweise Zuschauer säumen den zwei Kilometer langen Rundkurs, den es fünf mal zu absolvieren gilt. Der Veranstalter weist ausdrücklich im Vorfeld darauf hin, man möge als Läufer seine Runden mitzählen. Ich halte das zunächst für lustig, ärgere mich aber dann später doch, dass ich das nicht getan habe, denn fast biege ich am Ende falsch ab, was mir eine Extrarunde beschert hätte. So grandios die Atmosphäre in dieser wunderschönen Stadt ist, so grandios ist auch mein Ergebnis: 48:15 Minuten Bruttozeit stehen auf meinem Tacho, als ich die Ziellinie überquere. Somit kann ich sagen: Mission Completed, an meine Challenge „Zehn Kilometer unter fünfzig Minuten“ mache ich mal einen fetten Haken!

Nun, da ich im Bett liege und diese Zeilen tippe, tut mir alles weh, jeder einzelne Knochen, jeder Muskel schmerzt höllisch. Ich bin sogar überzeugt, einige Muskeln zu spüren, von deren Existenz ich bisher noch nicht wusste. Blöd nur, dass jetzt schon alles weh tut, denn richtig schlimm wird es ja meist erst am folgenden Tag, als morgen.

Ich habe Angst vor Morgen!

Aber trotzdem bin ich verdammt stolz auf meine heutige Leistung und mag Euch das Ergebnis natürlich nicht vorenthalten. Da ist das Ding!

StadtlaufErdingUrkunde-001

 

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