Kategorie: Patria y Libertad

Erneut geht es auf eine Reise mit Youngline (mittlerweile meine dritte), diesmal steht endlich Kuba auf dem Plan. Das Motto meines Reiseberichtes ist zugleich das Motto Kubas: „Patria y Libertad“, zu deutsch: „Heimatland und Freiheit“. Wie immer wünsche ich viel Spaß beim Lesen und freue mich über Resonanz jeder Art.

Cuban Model Doesn’t Even Work For Us Anymore

“Socialism means social justice and equality, but equality of rights, of opportunities, not of income”

(“Sozialismus bedeutet soziale Gerechtigkeit und Gleichheit, aber Gleichheit vor dem Recht und an Möglichkeiten – nicht der Einkommen“)

“The Cuban Model Doesn’t Even Work For Us Anymore”

(“Das kubanische Modell funktioniert nicht einmal mehr für uns”. Äußerung von Fidel Castro auf die Frage, ob er überzeugt sei, dass das kubanische Wirtschaftsmodell auf andere Länder übertragbar sei)

Es sind ungewohnte Töne, die die Welt aus dem kleinen Land im Dreieck zwischen Florida, Mexiko und Haiti gelegen vernimmt. Töne, die so gar nicht ins Bild passen wollen. Doch bei näherer Betrachtung offenbaren sich tiefe Einblicke in das Vorzeigeland des Sozialismus:

Kuba ist das Land der zwei Währungen; es gibt den nichtkonvertiblen Peso (kub$) als nationale Währung und daneben den konvertiblen Peso (CUC). (Ein Exkurs für die Volkswirtschaftler unter uns: Die Regierung setzt in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ein Verhältnis von 1kub$ = 1CUC an, während in Wirklichkeit 24:1 getauscht wird. So kann man sich reich rechnen!)

Das Durchschnittseinkommen der kubanischen Bevölkerung beträgt nach offiziellen Angaben etwa 600 kub$ (also ca. 15€) pro Monat.

Blöd daran ist nur, dass der kubanische Peso praktisch wertlos ist: Luxusgüter (zu denen übrigens schon Lebensmittel fast alle Lebensmittel gehören, die nicht „Reis“ heißen) gibt es nur gegen CUC. CUC haben abgesehen von Touristen nur Kubaner, die (a) mit der Regierung zu tun haben (in welcher Form auch immer), oder (b) Verwandte im Ausland haben, die CUC schicken können, oder (c) in der Tourismusbranche arbeiten.

„In der Tourismusbranche arbeiten“ ist ein überaus dehnbarer Begriff, denn häufig kommt es vor, dass Kubaner Touristen ansprechen und ihnen eine Stadtführung anbieten oder ihnen anbieten, gegen Bezahlung in ihrer Privatbehausung zu nächtigen – Familienanschluss inklusive. Das ist zwar verboten, doch seit die Kubaner den „Luxus“ entdeckt haben, möchte kaum noch jemand darauf verzichten. Und so hat sich über die Jahre eine blühende Parallelwirtschaft entwickelt, deren Produktivität gegenüber der Realwirtschaft bahnbrechend sein dürfte.

Spontan stellt sich mir die Frage: Kann und darf man überhaupt noch von Produktivität sprechen, wenn eine Maschine von vier Arbeitern bedient wird? Kein Wunder, dass sich kaum ein Kubaner ein Bein ausreißt, wohlwissend, dass es die Liberta gibt.

Die Liberta ist sozusagen das Grundeinkommen für alle und funktioniert analog zu den allseits bekannten Lebensmittelmarken, abgedeckt werden die Bereiche Kleidung, Hygieneartikel und Lebensmittel.

Lebensmittel für lau – was auf den ersten Blick verlockend klingt, hat natürlich auch seine Tücken: Da es (Grundnahrungs-)Lebensmittel auf Liberta für umsonst gibt, sind die Preise auf dem Markt  natürlich so niedrig angesetzt, dass nur wenige Bauern gewillt sind, dafür zu arbeiten. Die Folge: Ein Großteil des (hautsächlich verstaatlichten) Ackerlandes liegt brach, die Landwirtschaft – einst Zugpferd der kubanischen Wirtschaft – ist quasi zusammengebrochen.

Heute werden etwa 80% der Lebensmittel importiert, darunter auch Zucker. Schaut man sich die Pracht einiger Städte wie z.B. Tobago an, die aufgrund des aus der Landwirtschaft (speziell Zuckerproduktion) resultierenden Reichtums entstanden sind, so ist es schon erstaunlich, wie ein Mensch oder eine Regierung ein Land herunterwirtschaften kann.

Prolog II

PROLOG

Havanna mit seinem morbiden Charme als Pforte zum Traumurlaub. Bis spät in die Nacht spielen Bands feurige Rhythmen unter freiem Himmel: Lautstark feiern die Habaneros bei Rum und Zigarren, tanzen Salsa auf den Straßen – und wir tanzen mit! Außerhalb der Hauptstadt dann das Grün der Zuckerrohrfelder, endlose Tabakplantagen und die „große Badewanne“, wie die Kubaner die Karibik nennen. Palmen, weiße Sandstrände und das türkisfarbene Wasser lassen keinen Zweifel: Wir sind im Paradies gelandet.

1. Tag, Donnerstag, 04.11.2010

FLUG NACH KUBA

Gegend Mittag Flug mit Iberia über Madrid nach Havanna (Flugdauer ca. 14 Std.). Abends Ankunft, und schon am Flughafen begrüßen uns Salsaklänge und unser Marco Polo-Scout José. Noch fit für einen Cuba Libre? José hält auf jeden Fall ein paar Tipps für Unermüdliche bereit.

Willkommen in Havanna, meine Damen und Herren! Es ist jetzt kurz vor 23:00h (04:52h deutsche Zeit) und wir sitzen mittlerweile vollzählig im Bus. Die letzten fünf Mitstreiter sind soeben eingetroffen.

Zu der bisherigen Tour: Ich bin entspannt um 07:00h (deutsche Zeit) aufgestanden, da ich um 10:00h mit Anja am Flughafen verabredet war. Unter Einhaltung des akademischen Viertels war ich auch pünktlich um 10:10h dort, kurz vor Anja. Der Flug mit Iberia startet ab Terminal D. Für diejenigen, die den Flughafen München nicht kennen: Es sind schon Leute auf dem Weg zum Terminal D an Altersschwäche gestorben und wurden nie wieder gefunden. Der Check-In verläuft unproblematisch und auch die Kollegen von der Sicherheitskontrolle lassen mich heute in Ruhe. Irgendwann nach einer angenehm kurzen Wartezeit beginnt das Boarding und wir besteigen die Maschine nach Madrid.

In Madrid fällt mein erster Blick auf die Tafel der Transferflüge. Der Flug nach Havanna startet im Terminal U. Terminal U ist laut eines Wegweisers stramme 24 Minuten entfernt. Na toll. Es geht also durch endlose Korridore, mit der Rolltreppe eine Etage tiefer, dann wieder durch endlose Korridore, mit dem Aufzug eine Etage tiefer, um eine Ecke und rein in einen Shuttlezug. Nach etwa zehn Minuten Zugfahrt steigen wir aus und es geht durch endlose Korridore… (für den weiteren Verlauf: siehe oben, je nach Bedarf beliebig oft nacheinander zu lesen)… und nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir das Terminal U. Nachdem wir uns mit Schokoriegeln und Getränken eingedeckt haben, geht auch schon bald das Boarding los. Zwischendurch treffen wir noch auf die Frankfurter Fraktion, die ersten Mitstreiter haben wir also schon gesehen.

Das Flugzeug… ähmm… wie soll ich sagen? Ich versuche es mal diplomatisch: In den siebziger Jahren, zu der Zeit also, als das Flugzeug gebaut wurde, war das Modell bestimmt topmodern. Heute fallen die Sitzbezüge als altbacken auf, die Inneneinrichtung klappert während des gesamten Fluges monoton vor sich hin, das Entertainment-Programm fällt aus wegen nicht vorhandenen Equipments. Aber wofür braucht man die neuesten Kinofilme, wenn sich die Airline schon die Mühe gemacht hat, einen Sampler zusammenzustellen, der ausschließlich aus Liedern à la Richard Clayderman und André Rieu besteht und wie eine Mischung aus Zahnarztpraxis- und Fahrstuhlmusik daherplätschert.

Der Flug verläuft daher unspektakulär und vor allem ereignislos, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich eine nicht unerhebliche Menge an Passagieren als absolute Proleten outen, denn die höchste Stufe auf der Peinlichkeitsskala ist erreicht, als diese nach der Landung applaudieren. Da ist dann wohl fremdschämen angesagt…

Nun sitzen wir also im Bus, der uns zum Hotel bringt. Ziel ist das Plaza Hotel am Parque Central, ein altehrwürdiger Bau vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Mikkel (unser Scout) betont während der Fahrt diverse Male, dass es sich um ein sozialistisches Bauwerk mit dementsprechendem Standard bzw. Komfort handelt, was mich dazu veranlasst, das schlimmste zu befürchten, vor allem, weil Mikkel uns regelmäßig auf den Lebensstandard und die Genügsamkeit der Kubaner aufmerksam macht.

Als ich mein Hotelzimmer betrete, bin ich mit der Gesamtsituation überfordert: Es ist ein cirka 15 Quadratmeter großer Raum, der aufgrund seiner Deckenhöhe von 3,5 bis 4 Metern wirklich beeindruckend ist. Und obwohl ich mittlerweile die Genügsamkeit der Kubaner bis ins Tiefste verinnerlicht habe, bin ich doch leicht schockiert, denn das Mobiliar beschränkt sich auf einen antiken Holztisch und vier Stühle. Abgesehen von diesem Inventar und einem Sideboard ist der Raum komplett leer. Ich frage mich schon, wie und vor allem wo ein Kubaner in einem solchen Zimmer übernachten würde (dabei vernachlässige ich das kleine und unbedeutende Detail, dass ein Kubaner niemals in einem solchen Raum übernachten würde, da eine einzige Nacht so viel kostet, wie ein Kubaner in einem halben Jahr verdient). Just in dem Moment fällt mein Blick auf eine Tür am linken Ende des Raumes. Dahinter verbirgt sich jedoch nur ein Kleiderschrank (ich hatte eigentlich mit einem Klappbett gerechnet). Ratlosigkeit macht sich breit, ich trete unbewusst einen Schritt zurück und befinde mich – in einem weiteren Raum, etwa 20 Quadratmeter groß mit Kingsize-Bett und angrenzendem Badezimmer. Das Einzelzimmer, das ich gebucht habe, entpuppt sich allen Ernstes als weitläufige Suite!

Noch völlig beeindruckt begebe ich mich in die Hotelbar, wo wir mit einigen Mojitos den Abend ausklingen lassen. Um 01:30h lösen wir die Runde auf, denn das Frühstück beginnt um 07:30h und wir müssen um 09:00h beim Scout antreten.

Als ich ins Zimmer komme, ist es unerträglich warm. Fenster aufmachen fällt aus wegen lauten Verkehrs auf der Straße, somit ist die Klimaanlage die einzig praktikable Lösung. Leider ist das Ding nicht nur laut, sondern auch unflexibel, denn es gibt nur zwei verschiedene Stufen, die man einstellen kann: (A) unerträglich kalt oder (B) aus. Ich entscheide mich für die Variante (A) „unerträglich kalt“, wohlwissend, dass sich das möglicherweise im weiteren Verlauf der Nacht rächen könnte.

2. Tag, Freitag, 05.11.2010

HAVANNA Auf Hemingways Spuren

Die Wellen des Golfs von Mexiko überspülen den Malecón, die berühmte Uferpromenade Havannas. In den Straßen heiße Rhythmen und alte Chevys, Lincolns und Buicks – liebevoll restauriert oder notdürftig zusammengeflickt. Mit José schlendern wir über den Prado und durch die Gassen von Alt-Havanna zur Kathedrale und zur Plaza de Armas. Nachmittags Freizeit. Einige von uns lassen sich im historischen Straßenkreuzer-Taxi durch Havanna chauffieren – was für ein Feeling! Andere wandeln auf den Spuren Hemingways und besuchen „seine“ Kneipe Bodeguita del Medio. Für einen Mojito aus Rum, Limone und Minze muss man allerdings Schlange stehen – dennoch sollten wir die Chance nutzen, es lohnt sich! Spätestens abends beim Begrüßungsessen ergibt sich die Gelegenheit, die Gruppe besser kennenzulernen.

Irgendwann erwache ich aus meinem tiefen Schlaf und fühle mich wie gerädert. Ich führe das auf den Jetlag zurück und beschließe, noch so lange liegen zu bleiben, bis um 07:30h der Wecker klingelt. Lange kann das ja nicht mehr dauern, denke ich mir. Nach einer gefühlten Ewigkeit schaue ich auf mein Handy, nur um mich zu vergewissern, dass ich überhaupt die Weckfunktion eingeschaltet habe. Es ist 02:58h und ich schalte das Handy aus Protest komplett aus. Irgendwann muss ich dann wohl doch noch mal eingedöst sein, Anja reißt mich um kurz vor acht aus meiner Lethargie und wir gehen zum Frühstück.

Der Kaffee ist indiskutabel, die Zubereitung der Speisen äußerst individuell: Zum ersten (und sicherlich auch letzten) Mal in meinem Leben esse ich Schinken-Blätterteigtaschen mit Zuckerguss überzogen.

Um 09:00h, also gleich nach dem Frühstück (und gefühlt mitten in der Nacht) treffen wir uns in der Lobby und Mikkel erzählt uns ein paar Basics über Kuba und das Programm der nächsten Tage. Mit deutscher Pünktlichkeit treffen die letzten paar Leute nach und nach ein, was Mikkel dazu veranlasst, eine Regel aufzustellen: Wer als Letzter verspätet am Treffpunkt erscheint, muss abends für die gesamte Gruppe eine Runde Rum spendieren.

Ich überschlage die Kosten kurz im Kopf und möchte eigentlich nachfragen, ob ich schon mal präventiv eine Flatrate buchen kann, entscheide mich dann aber doch dagegen. Die Chancen, nicht als Letzter aufzuschlagen, stehen gut. Außerdem hat Mikkel uns erzählt, dass in Kuba eine Stunde 75 Minuten hat, und nicht 60 Minuten wie in Europa – eine Steilvorlage für eine eventuelle Verspätung!

Um 10.00h beginnt der Stadtrundgang, der auf etwa drei Stunden angesetzt ist. Kaum aus dem Hotel herausgetreten, stehen wir schon mitten in der ersten Sehenswürdigkeit: Dem Parque Central, einer – wie Mikkel uns sagt – Kopie des berühmten Central Park in New York. Zwar stehen im New Yorker Central Park meines Wissens nach keine Königspalmen und ein Verkehrsknotenpunkt ist er auch nicht, aber ich denke, das kann man vernachlässigen, denn der Parque Central ist immerhin eine schöne Kulisse für die umliegenden Grand Hotels.

Das Motiv des Plagiats wird sich wie ein roter Faden durch den gesamten Tag schlängeln, denn abgesehen von der alles beherrschenden Grundregel, dass Kuba in jeder Kategorie entweder das größte oder das erste Objekt (oder die Kombination aus beidem) vorweisen kann, so trifft man doch hier und da auch auf (mehr oder weniger) exakte Kopien US-amerikanischer Gebäude.

Eine solche Kopie ist das Capitolio Nacional, das (wen wundert’s) eine Kopie des Capitols aus Washington ist. Zunächst als Symbol für den Kolonialismus und die damit verbundene Abhängigkeit von den USA verpönt, hat sich das Ansehen in den letzten Jahrzehnten doch gewandelt: Einerseits ist die Kopie nämlich doch nicht so exakt (das Capitolio Nacional ist eher rund gebaut), andererseits ist es immerhin einen ganzen Meter höher als das Original.

Im Capitolio liegt eine Kopie des legendären 24-karätigen Diamanten, dessen Original in der Zeit Batistas verdunstet ist. Der Punkt, an dem diese Kopie liegt, gilt als Nullpunkt Kubas, das heißt, dass alle Entfernungen ab Havanna von diesem Punkt aus gerechnet werden. Überdies ist auch hier wieder ein Superlativ anzutreffen: die La República ist mit 14 Metern Höhe die dritthöchste Statue der Welt, die in einem Gebäude steht.

Die Reihenfolge, in der wir die übrigen Sehenswürdigkeiten gesehen haben, ist mir nicht mehr geläufig, abgesehen davon würde eine Auflistung aller Objekte jeden Rahmen sprengen.

Eigentlich ist die ganze Stadt und vor allem der alte Teil La Habana Vieja beeindruckend, dennoch möchte ich einige Orte hervorheben:

Der Plaza de la Catedral ist ein wohl einzigartiger Platz: Der Ort, an dem die Kathedrale steht, war früher ein Sumpfgebiet und das erklärt auch die asymmetrische Bauweise des Gebäudes:

Nachdem die Kathedrale und der rechte Glockenturm fertiggestellt waren, sollte auf der linken Seite des Gebäudes ebenfalls ein Turm gebaut werden. Dabei stellten die Bauherren aber fest, dass dies nicht möglich ist, da der Turm aufgrund seiner Größe und seines Gewichtes im Boden versinken würde. Daher ist der linke Turm kleiner ausgefallen als der rechte und hat im Gegensatz zum rechten Turm keine Glocken. Gut, dass da vor Baubeginn drüber nachgedacht wurde…

Gegenüber der Kathedrale steht ein Wohnhaus einer einfachen (sprich: armen) Bürgerfamilie, später wurden an den verbleibenden zwei Seiten des Platzes von reichen Familien Häuser gebaut. Eine Trennung von arm und reich, wie sie sonst normal ist, findet man hier nicht vor.­

Am Plaza de Armes in Habana Vieja steht das Museo de la Ciudad. Im 19. Jahrhundert war das Gebäude noch der Palacio de los Capitanos Generales, also der Regierungspalast, in dem der Gouverneur Havannas gelebt und gearbeitet hat. In den 1840er Jahren war Miguel de Tacón Gouverneur und rückblickend lässt sich sagen, dass er und seine Frau keine einfachen Zeitgenossen waren: Es war zu dieser Zeit Tradition, dass am Fortaleza de San Carlo de la Cabana (diese Festung wird morgen noch einmal erwähnt werden) mit zwanzig Kanonen eine Salve abgeschossen wurde, die die Schließung der Tore markierte. Diese Zeremonie wurde täglich um 20.00h durchgeführt. Nun hatte allerdings Miguel de Tacón die Angewohnheit, zu dieser Zeit seinen Kaffee zu sich zu nehmen und die Kanonenschüsse schlugen ihm auf den Magen (Merke: Kaffee und Kanonen vertragen sich nicht!). Daher veranlasste er die Verschiebung der Tradition um eine Stunde, die Tore wurden somit im Folgenden erst um 21.00h geschlossen, damit de Tacón in Ruhe seinen Kaffee genießen konnte.

Seine Frau hatte ebenfalls schwerste Sorgen: Die Pferdekutschen, die am Haus vorbeifuhren, machten einen Lärm, der für sie inakzeptabel war. Sie beschwerte sich darüber bei ihrem Mann, der in seiner Funktion als Gouverneur veranlasste, dass die Straße vor dem Haus aufgerissen, die Pflastersteine entfernt und durch Holzparkett ersetzt wurden (jawohl: HOLZparkett!). Dieser Straßenbelag ist auch heute noch erhalten, somit ist Havanna die einzige Stadt, die ich kenne, die eine Straße aus Holzparkett ihr Eigen nennt.

Während der Stadtführung wandeln wir auch auf den Spuren Hemingways: Im Hotel Ambos Mundos hat Hemingway sieben Jahre lang gewohnt und gewirkt. Wir machen hier einen Zwischenstopp und genießen einen Lunch auf der Dachterrasse. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch Hemingway hier oben gesessen hat, als er „Wem die Stunde schlägt“ schrieb.

Zwei weitere Stätten haben durch Hemingway Berühmtheit erlangt: Das „La Bodeguita del Medio“, eine kleine unscheinbare Bar in der Calle Emperdrado, in der Hemingway Stammgast war. Hier durfte er kostenlos essen und trinken, unter der Voraussetzung, dass er dies an einem kleinen Tisch in der Mitte der Gasse tat, damit jeder sehen konnte, dass er Gast dieser Bodeguita war. Sicherlich war das keine schlechte Werbung…

Ebenfalls Stammgast war Hemingway in der Bar „El Floridita“. Hier hat Hemingway den Dompapa kreiert, einen doppelten Daiquiri ohne Zucker. Unbestätigten Gerüchten zufolge hat er davon einmal fünfzehn Stück (also insgesamt dreißig einfache Daiquiri) getrunken und konnte immernoch problemlos nach Hause gehen. Da stellt sich mir die Frage, ob das nun an seiner Kondition oder an der (dann wohl eher mangelnden) Qualität der Drinks gelegen hat…

Am späten Nachmittag gönnen wir uns eine Fahrt im Cabrio durch die Straßen Havannas. Der Autokorso besteht aus einem 52er Chevy, einem 53er Oldsmobile, einem 54er Buick und einem 52er Lincoln.

Während der Fahrt passieren wir auch den Cemeterio Colón, den größten Friedhof Kubas und den drittgrößten der Welt. Er erstreckt sich über eine Fläche von 56 Hektar und beherbergt etwa 800.000 Gräber. Neben dem Cemeterio Colón gibt es in Havanna noch cirka 120 weitere Friedhöfe. Merke: Auch im Sozialismus sterben Menschen.

3. Tag, Samstag, 06.11.2010

HAVANNA Rum und Salsa

Wer den freien Vormittag nicht in Eigenregie verbringt, kommt mit ins Rum-Museum. Anschließend ins Museo de la Revolución im früheren Präsidentenpalast.

Nachmittags geht’s zum Salsakurs. Der Schweiß der Leidenschaft perlt auf unserer Stirn, wenn wir zu Latino-Rhythmen die Hüften schwingen. Wir finden, dass unser Salsalehrer mindestens so gut wie der unvergessene Patrick Swayze ist – nur leider fehlt uns das Talent von Jennifer Grey. Macht nichts, Gelegenheit zum Üben gibt’s in den nächsten zwei Wochen mehr als genug: Denn Kuba ohne Salsa ist wie ein Fisch ohne Wasser.

Mikkel ist gnädig mit uns, daher treffen wir uns heute erst um 10.00h in der Lobby. Ich hätte zu dem Zeitpunkt noch nicht gedacht, dass ich so kurz vor dem Eintritt ins Paradies bin, doch ich werde eines Besseren belehrt: Um Punkt 11.00h betrete ich ein Rum-Museum, aber nicht irgendein Rum-Museum, sondern das legendäre „Havanna Club“-Haus. Wir bekommen eine Führung mit anschließender Verköstigung und so habe ich bereits um 11:30h den ersten Becher Rum am Hals. Das kann ja heute noch heiter werden!

Das Museo de la Revolución ist wegen Renovierung geschlossen, daher bringt Mikkel uns auf die Fortaleza de San Carlo de la Cabana, wo es einen kleinen unscheinbaren Tabakladen gibt. Dort treffen wir auf eine Legende, denn dort arbeitet der Mann, der bereits mit vier Rekorden im Guiness-Buch der Rekorde steht – alle für die längste Zigarre der Welt: eine misst knappe zwei Meter, eine liegt bei 12,5 Metern, die dritte ist zwanzig Meter lang und die längste hat beeindruckende 25 Meter.

Auf dem weitläufigen Gelände (natürlich ist es die größte Festung Lateinamerikas) steht auch das Haus, im dem Ernesto Che Guevara während seiner Zeit als Politiker Kubas gewohnt hat. Direkt neben dem Haus steht eine Christusstatue aus reinem Carrara-Marmor, die die Bucht überblickt und von praktisch jeder Stelle in Havanna zu sehen ist.

Nachdem ein Teil von uns gestern bereits dort war, fahren wir erneut zum Plaza de la Revolution. Dieser Platz wird beherrscht von einem 110 Meter hohen Obelisken (auf dem sich natürlich die höchste Aussichtsplattform Kubas befindet), davor eine Statue des Nationalhelden José Marti. Der Platz selbst ist nichts anderes als eine große Asphaltwüste, denn hier schwingt Castro im Laufe der Geschichte mehrmals große (und vor allem lange) Reden. Die längste Rede dauerte über sieben Stunden, bei der größten Versammlung waren etwa 1,5 Millionen Kubaner zugegen. (Böse Zungen sagen, dass Juanes, der Popsänger, es geschafft hat, bei einem Konzert etwa zwei Millionen Zuhörer zu haben. Natürlich wird das offiziell tot geschwiegen.)

Rund um den Platz sind in riesigen Plattenbauten die wichtigsten Ministerien angesiedelt, die Staatsbibliothek mit angeschlossenem Staatsarchiv (dessen Inhalt größtenteils unarchiviert gelagert wird, das heißt, kein Mensch weiß, was für Dokumente dort überhaupt liegen), sowie ein Regierungspalast, der auch als siebtes Haus Fidel Castros gilt.

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Exkurs Fidel Castro

Fidel Castro macht aus seinem Leben ein großes Geheimnis. Während die Deutschen wissen, wo der Bundespräsident wohnt, mit wem er verheiratet ist, wie viele Kinder er hat, so ist das den Kubanern in Bezug auf Fidel Castro unbekannt. Man weiß nur, dass er eine Tochter hat und zwei Söhne, von denen einer Arzt ist und eine kubanische Nationalmannschaft betreut. Der andere Sohn lebt in den USA, ich vermute, dass er dafür von Castro enterbt wurde. Ob es weitere Kinder gibt, ist nicht bekannt, seine Frau hat Castro dem Volk nie gezeigt. Auch der Aufenthaltsort ist unbekannt, man kennt zwar die Standorte von Castros Büros und Häusern, doch wo er gerade ist, ist ein Rätsel. Castro – ein wahrer Präsident des Volkes!

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Nachmittags haben wir die Gelegenheit, uns vor einem Haufen Kubanern und einer Handvoll Kubanerinnen gehörig zum Affen zu machen, denn der Salsakurs steht auf dem Programm. Zusammenfassend kann man sagen: Es war größtenteils grausam, mit einigen Momenten unerträglicher Qual, aber dafür dauerte es auch schön lange. Nein, mal im Ernst: Es hat massig Spaß gemacht, meine Partnerin ist äußerst geduldig, auch wenn ich keine Gelegenheit auslasse, sie zur Verzweiflung zu treiben. Irgendwann einigen uns darauf, dass ich gradlinig meinen Grundschritt durchziehe und sie den Rest erledigt. Ab diesem Zeitpunkt klappt es auch ganz gut, ich bin mit meiner Leistung höchstzufrieden.

4. Tag, Sonntag, 07.11.2010

HAVANNA – VINALES Heimat des Tabaks

 Mit dem Bus brechen wir in die Provinz Pinar del Rio auf, für viele die schönste Landschaft Kubas. Zuckerhutförmige Kalksteinkegel, die Mogotes, ragen aus der Ebene, dazwischen ein bunter Flickenteppich aus Tabakfeldern und Palmenhainen. Wofür die vielen Schuppen sind? „Zum Trocknen der Tabakblätter“, erklärt uns José. Schließlich gedeiht hier der beste Tabak der Welt. Wir wandern durch die saftig grünen Tabakplantagen und erkunden den Ort Vinales.

Mitten in der Nacht geht die Reise los: Ich packe meinen Koffer, verabschiede mich von meinen Mitbewohnern, die zur Feier des Anlasses eine Parade zu meinen Ehren veranstalten (bedauerlicherweise machen sie das schon seit gestern Abend und die Ameisenstraße führt dummerweise quer durch mein Bett).

Um 08:30h stehen wir alle mit gepackten Koffern vor dem Hotel. Alle? Nein, einer fehlt: Mikkel, unser Scout, ist gestern Abend noch in der Bar versackt und kommt daher erwartungsgemäß 20 Minuten später. Aber wie wir ja bereits gelernt haben, hat eine Stunde in Kuba 75 Minuten, daher ist er ja auch noch pünktlich.

Vor uns liegt eine dreistündige Busfahrt über die Autobahn, die unspektakulär verläuft. Nach zwei Stunden halten wir mitten in der Pampa an, denn rechts von der Fahrbahn steht eine kleine windschiefe Hütte. Diese entpuppt sich als Trockenlager für Tabakblätter. Mikkel erklärt uns den Aufbau einer Zigarre und grob die Produktionsschritte. Da es über 160 manuelle Schritte sind, kapituliere ich und verzichte darauf mir alle zu merken.

Die letzte Stunde der Busfahrt geht über Schotterpisten quer durch kleine Dorfschaften. Es bietet sich uns ein Bild, dass mit Havanna nicht vergleichbar ist. Die Häuser sind zwar mindestens genauso heruntergekommen, aber ich vermute, dass sie im Gegensatz zu den Häusern in Havanna nie wirklich besser ausgesehen haben. Ich fühle mich wie bei einer Fahrt durch eine Schrebergartenanlage…

Das Tal, durch das wir wandern, ist wirklich beeindruckend: So weit das Auge reicht sehen wir Felder, Wiesen und kleine Plantagen, eindrucksvoll umrandet von den Mogotes. Dabei handelt es sich um Kalksteinfelsen, die bis zu 160 Millionen Jahre alt sind und vom Regen im Laufe der Zeit quasi abgeschmirgelt wurden, so dass sie als abgerundete Hügel einzeln mitten im Tal stehen.

Während unserer Wanderung fühle ich mich in eine andere Zeit versetzt, denn diese scheint hier stehen geblieben zu sein. Vereinzelt stehen Strohhütten, sogenannte Bohios, an den Rändern der Felder, die von den Bauern noch mit einfachstem Gerät, das von Ochsen gezogen wird, bestellt werden. In eine dieser Bohios kehren wir ein und einige von uns probieren den Zuckerrohrsaft, der von den Bauern frisch hergestellt und in ausgehöhlten Grapefruits serviert wird.

Gerne würde ich länger hier verweilen, doch wir haben einen strammen Zeitplan und daher kehren wir nach etwa drei Stunden mit vielen neuen Eindrücken zum Bus zurück.

Abschließend sollte ich noch erwähnen, dass das Valle de Vinales von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt wurde. Das Ergebnis ist, dass es für die Bauern wohl unrentabel geworden ist, die Felder zu bestellen, denn wo einst das gesamte Tal von Plantagen und Feldern geprägt war, findet man diese leider heute nur noch vereinzelt vor. Die Idee dabei ist, dass so eine Erinnerung daran ermöglicht werden soll, wie das Tal früher einmal ausgesehen hat. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es vor der Entdeckung durch die UNESCO noch bei Weitem beeindruckender war.

5. Tag, Montag, 08.11.2010

VINALES Freizeit oder zur Trauminsel Cayo Levisa

In Vinales bleiben und die Freizeit genießen oder per Bus und Boot zur Insel Cayo Levisa? Den meisten fällt die Entscheidung leicht, denn auf Cayo Levisa gibt’s die mit Abstand schönsten Strände der Region. Einige von uns nutzen die Gelegenheit, sich eine Taucherausrüstung auszuleihen, um am nahe gelegenen Riff schwarze Korallen und versunkene Galeeren zu erforschen.

Das Wetter stimmt uns optimistisch, als wir beim Frühstück sitzen. Heute steht ein Tagesausflug ins Archipiélago de los Colorados auf dem Programm, genauer gesagt nach Cayo Levisa. Es ist angenehm warm und die Sonne scheint, gut gelaunt steigen wir in den Bus.

Die Fahrt führt uns durch bergiges Land über holprige Straßen, die gesäumt sind von Menschentrauben. Diese sind übrigens über das ganze Land verstreut anzutreffen und sind ein Ergebnis der perfekt organisierten Verkehrsinfrastruktur Kubas: Linien- und Überlandbusse scheint es nicht zu geben (ich habe jedenfalls noch keine gesehen), aber irgendwie müssen die Menschen ja von A nach B kommen, und sei es auch nur eine recht kurze Strecke bis ins nächste Dorf.

Das ist der Grund, warum es diese Menschentrauben gibt: Sie wollen „eine Flasche nehmen“, was auf Spanisch „coger botella“ heißt und das Pendant zu „per Anhalter fahren“ ist. Die Kubaner sind ein geduldiges Volk, manchmal haben sie Glück und müssen nicht lange warten, manchmal stehen sie jedoch den ganzen Tag am Straßenrand und hoffen, dass sie „eine Flasche nehmen“ können und gehen abends unverrichteter Dinge wir nach Hause.

Während wir die Gruppen passieren, werden wir Zeugen eines Glücksmomentes: Ein alter klappriger LKW mit offener Ladefläche biegt um die Ecke, die Menschen treten nervös von einem Fuß auf den anderen, der LKW hält an, die Menschen steigen auf die Ladefläche (es gibt nur Stehplätze) und der LKW fährt wieder los.

Die Insel Cayo Levisa ist ein großes Urlaubsresort, die Infrastruktur beschränkt sich auf einen Souvenierladen, ein Restaurant mit angeschlossener Bar sowie einen 3,5km langen Sandstrand. Der Sand ist so weiß, dass es schon fast unwirklich ist. Noch beeindruckender ist das Wasser, denn die kurze Zeit, in der das Wetter gnädig mit uns ist, verwandelt sich die Farbe von einem tiefen blau in ein wunderschönes türkis.

Ach ja, das Wetter *seufz*… Während der 45minütigen Überfahrt mit dem Boot auf die Insel verdunkelt sich der Himmel, der Wind frischt auf und so bleibt das Wetter dann auch für den Rest des Tages. Zwischendurch regnet es sogar ein wenig, und ich bin dankbar für diese Erfahrung: Wir sitzen mit Pullovern und Jacken auf den Liegen am Strand und hoffen auf besseres Wetter. Es kommt nicht. Ich wandere somit ein bisschen am Strand entlang und schlage mich schließlich quer durch die Mangroven ins Hinterland.

Die Zeit vergeht schleppend, einziges Highlight sind die (grob geschätzten) fünf Minuten, in denen sich die Sonne blicken lässt, denn nun bietet sich die Gelegenheit für die Damen, sich die Klamotten vom Leib zu reißen und endlich das lange ersehnte „Bikini-und-Strand“-Foto zu ergattern.

Für 17.00h ist die Rückreise angesetzt und erstaunlicherweise sind wir alle überpünktlich. Das hat einen ziemlich einfachen Grund: Es gibt nur einen einzigen Termin pro Tag für die Rückreise, und der ist halt um 17.00h. Wer zu spät kommt, kann erst einen Tag später die Fähre nehmen, was aufgrund des Wetters wahrlich keine verlockende Vorstellung ist.

Auf dem Festland erwartet uns Mikkel. Er durfte nicht mit uns kommen, denn Kubaner dürfen grundsätzlich nicht reisen, es sei denn, sie haben eine behördliche Genehmigung. Mikkel hatte keine Genehmigung bekommen und musste daher auf uns warten. Ich bin aber sicher, dass es auch für ihn nicht langweilig war, denn am Hafen gab es immerhin eine Strandbar.

Zurück im Hotel ist es auch schon Zeit für das Abendessen. Eine kleine Gruppe Unermüdlicher beschließt, im Anschluss noch in eine Bar im Zentrum von Vinales zu fahren. Unbestätigten Gerüchten zufolge kehren sie erst um 06.00h am nächsten Morgen ins Hotel zurück und da dies absehbar ist, zieht es der Großteil der Gruppe vor, im Hotel zu bleiben. Und so packe ich meine beiden Flaschen Rum aus, Katharina sorgt für die Cola und kurz darauf sitzen wir in einer angenehmen Runde zu sechst vor meinem Bungalow und trinken Cuba Libre.

Wir liefern ein tolles Bild ab, denn die Situation mit den Liegestühlen wird noch getoppt dadurch, dass wir uns in Wolldecken eingehüllt haben. Und ich dachte immer, in der Karibik sei es warm…

6. Tag, Dienstag, 09.11.2010

VINALES – HAVANNA Naturschutzreservat Las Terrazas

Vormittags fahren wir mit unserem Scout José nach Las Terrazas, zum ersten Projekt für einen naturnahen Tourismus auf Kuba. Drei Stunden wandern wir durch die ehemaligen Kaffeeplantagen, wo einst Sklaven schufteten. Zwischendurch erfrischen wir uns bei einem Bad im Fluss. Abends Rückkehr nach Havanna – je nach Lust und Laune auf eigene Faust zum Dinner ins kleine Chinatown und zum nächtlichen Panoramablick von der Christusstatue.

Erneut geht es mitten in der Nacht los und ich habe die Befürchtung, dass die Uhrzeit 8.00h zum Standard werden könnte. Nachdem wir gestern noch gemütlich bei ein paar Bechern Cuba Libre zusammengesessen haben, fällt das Aufstehen erwartungsgemäß schwer.

Das Frühstück ist (wie bereits gestern) karg und besteht für mich aus trockenem Brot (ähnlich unserem Zwieback, etwas anderes gab es halt heute Morgen nicht) und Orangensaft, der allerdings entschädigt, denn er ist frisch gepresst.

Pünktlich nach Ablauf des akademischen Viertels stehen wir abfahrbereit am Bus und die Fahrt beginnt.

Die Wanderung führt uns nicht durch Kaffeeplantagen (ist ja keine Überraschung, dass das Programm nicht immer mit der Realität übereinstimmt), doch das, was wir sehen, ist für mich noch viel besser: Wir machen einen Trek durch unwegsames Gelände quer durch ein urwaldähnliches Gebiet in der Sierra del Rosario. Über Stock und Stein geht es, gelegentlich halten wir an und bekommen Informationen über die Flora und Fauna in dem Gebiet. Mein persönlicher Favorit ist der sogenannte „Touristenbaum“, eine Baumart, die eine rote Borke hat, welche sich leicht abpellt. Unser Führer sagt, dass der Baum nach den Touristen in Varadero benannt ist, die sich nie eincremen und deren Haut nach kurzer Zeit aussieht wie die Rinde dieser Baumsorte.

Die Wanderung endet an einem kleinen Fluss. Einige von uns nutzen hier die Gelegenheit kurz zu baden, bevor wir mit dem Bus zum Restaurant fahren.

Das Restaurant trägt den Namen El Romero und liegt unscheinbar mitten in der Kommune Las Terrazas. Der Tipp unseres Scouts, einen Blick in die Karte zu werfen, ist Gold wert, denn diese liefert eine Steilvorlage nach der anderen.

Fangen wir mit der Vorspeise an: Jeder von uns bekommt ein Brötchen, gereicht werden dazu drei kleine Schälchen mit verschiedenen Dips. Die Karte sagt dazu folgendes:

„Vorspeisen, 52. Malva:

Ceviche aus Lotus. Dieses Gericht bieten wir kostenlos an und ist Teil des Gedecks. Eine Zubereitung aus Lotus, Zitronen, Kurkuma, Zwiebeln und anderen aromatischen, heilkräftigen und energiespendenden Pflanzen.

Bevor Sie dieses Gericht essen, schlagen wir vor, dass Sie sich an den Händen fassen und mit geschlossenen Augen der Natur für Nahrung, Liebe, Gesundheit, Harmonie, Solidarität und Frieden danken.“

 

Das El Romero ist ein Rohkost-Restaurant, oder auch (wie es die Speisekarte formuliert) ein Gourmet der ökologisch-kubanischen Küche. Das Konzept an sich ist toll, denn alle Zutaten sind selbst angebaut, das Wasser ist mit einer ökologisch-natürlichen Filteranlage gereinigt, der Herd wird über eine Solaranlage betrieben. Das ist wohl auch der Grund dafür, warum die Speisen entweder komplett kalt oder lediglich lauwarm sind. Ist ja auch verständlich, die letzten Tage hat es schließlich überwiegend geregnet. Nein, mal im Ernst: Es ist ja schließlich ein ROHkostrestaurant, da erklärt es sich von selbst, dass das Essen kalt ist. Die Vegetarier in der Gruppe sind auch höchstbegeistert, was für mich ein Zeichen ist, dass das Essen wirklich gut war. Ich selbst fand halt die Portion extrem übersichtlich und bin immer noch der Auffassung, dass ein Teller voll Salat vor allem dann besonders schmackhaft ist, wenn man den Salat kurz vor Verzehr durch ein saftiges Steak ersetzt. Fleisch gab es nicht, passt wohl nicht ins Konzept eines ökologischen Lebens und Arbeitens.

Das Essen war eine interessante Erfahrung (, die ich aber nicht vorhabe zu wiederholen), ich bin überrascht, wie gut Ameisen geschmacklich mit Guaveneis korrespondieren.

Nach dem Essen fahren wir zurück nach Havanna, wo wir den Rest des Tages Freizeit haben um uns von den Strapazen des Hikes zu erholen.

Und was machen wir? Wir laufen, und zwar quer durch Havanna. Vom Hotel geht es erst zum Malecón, der ja sowohl bei Tag als auch bei Nacht ein Erlebnis sein soll. Um ehrlich zu sein, es lohnt sich nicht, dort hin zu gehen (also abends), denn das Leben tobt dort nicht wirklich. Es herrscht gähnende Leere, das Meeresrauschen und die Wellen, die gegen die Kaimauer schlagen, sind unüberhörbar. Sehr schön hingegen ist der Weg vom Parque Central zum Malecón, denn die direkteste Verbindung ist der Prado, der bei Nacht ein echtes Schmuckstück ist: Die verfallenen Häuser und Ruinen sind beleuchtet (nicht angestrahlt, sondern wie normale Häuser beleuchtet), wir schlendern über den Mittelstreifen des Prado, der von Bäumen gesäumt und mit Marmor gepflastert ist.

Wir laufen ein paar hundert Meter den Malecón entlang und kehren dann um, denn unseren letzten Abend in Havanna wollen wir ausnutzen. Außerdem überkommt uns ein leichtes Hungergefühl, somit laufen wir zur Calle Obispa, in der wir bereits gestern ein schönes Lokal gesehen haben.

Das Essen kostet laut Karte sechs Pesos, dafür gibt es dann Fleisch (wahlweise Rind, Huhn oder Schwein) mit Gemüse, Reis und Toastbrot. Der Preis ist gut. In den letzten Tagen, an denen unser Scout das Essen organisiert hat, haben wir zwar in etwa das Dreifache bezahlt, die Qualität war dafür jedes Mal hervorragend und – was das wichtigste ist – da unser Scout die Restaurants kannte, konnten wir sicher sein, keine Magenprobleme oder ähnliches zu bekommen; das Essen war folglich seinen Preis ebenfalls wert. Dennoch möchte ich heute mal die Erfahrung machen, was für eine Mahlzeit man für sechs Pesos bekommt.

Der Kellner ist sehr bemüht uns ein „Spezialangebot“ anzupreisen: Wenn wir zwei Mojitos (je drei Pesos), eine Nachspeise (einen Peso) und einen Kaffee (zwei Pesos) nehmen, bekommen wir oben genannte Hauptspeise für einen Peso, das ganze also für insgesamt zehn Pesos.

Wir sind zugegebenermaßen skeptisch, aber da wir bereits lange gelaufen sind und daher nicht noch mal das Lokal wechseln wollen, und ich überdies wenig Lust habe, mit dem Kellner zu diskutieren, bestellen wir eben dieses „Spezialangebot“. Ich finde, dass das eine gute Wahl war, es ist reichlich und qualitativ nicht schlecht.

Das Ambiente ist trashig, die Gesamtsituation skurril. Wer schon einmal miterlebt hat, was passiert, wenn das legendäre Traumschiff vor Hawaii ankert (wird ja gerne des Öfteren auf ZDF gesendet), wird verstehen was ich meine: Wir suchen uns einen Tisch für fünf Personen aus (was nicht schwer ist, denn außer uns ist nur noch ein Ehepaar anwesend) und setzen uns. Sofort versammelt sich vor uns eine Gruppe Kubaner, fünf Musiker und drei Mädchen, die zu der Musik singen und tanzen. Würde meine Tochter so vor fremden Leuten tanzen, ich würde sie ins Heim schicken, in eine Erziehungsanstalt oder besser noch ins Kloster.

Den alten Männern (mittlerweile ist eine weitere Reisegruppe eingetroffen) gefällt das natürlich außerordentlich, mit triefender Zunge machen sie Foto- und Videoaufnahmen von den freizügig gekleideten, meines Erachtens nach höchstens fünfzehnjährigen Mädchen. Ich fühle mich in meinen Thailandurlaub zurückversetzt.

Den Kaffee schenken wir uns (der ist eh in ganz Kuba absolut ungenießbar, was gut ist, denn so schaffe ich wenigstens einen kalten Entzug und werde fortan ein kaffeefreies Leben führen können), nach der Nachspeise und dem zweiten Mojito bezahlen wir und gehen zurück ins Hotel, wo wir den Abend an der Bar mit einem „Ernest Hemingway Especial“ (wer das Getränk nicht kennt, es besteht schätzungsweise aus folgenden Zutaten: Rum, Rum, Schnaps, Rum, Zitronenlikör für die Farbe und Zucker), wahlweise auch einer Cuba Libre (mit viel Cuba, das Libre wurde weggelassen. Es ist so wenig Cola darin, dass das Getränk praktisch durchsichtig ist, farblich und geschmacklich könnte es weißer Rum mit Cola, vielleicht aber auch purer siebenjähriger Havanna Club mit Eis sein) ausklingen lassen.

7. Tag, Mittwoch, 10.11.2010

HAVANNA – CIENFUEGOS Stadt der Zuckerbarone

Per Bus geht’s weiter nach Cienfuegos an der Jagua-Bucht. Die Zuckerbarone machten in dieser Stadt ein Vermögen – ihre Prachtvillen zeugen noch heute davon. Wir bummeln über den Bauernmarkt und besichtigen das Terry-Theater am Hauptplatz. 25 Kilometer vor der Stadt liegt der Jardín Botánico Soledad, der älteste botanische Garten Amerikas. Wir bewundern 2000 Pflanzensorten und 250 Palmenarten.

Zum ersten Mal seit meiner Ankunft hier in Kuba werde ich mit Kopfschmerzen wach. Da kommt es mir sehr gelegen, dass wir eine mehrstündige Busfahrt vor uns haben.

Beim Frühstück erfahre ich, dass Stefanie die Reise aus gesundheitlichen Gründen hier in Havanna beenden und heute Abend mit dem Flugzeug nach Hause fliegen wird. Das finde ich nachvollziehbar, denn es ist teilweise schon extrem anstrengend, und so habe ich größten Respekt vor dieser Entscheidung. Stefanie, es ist schade, dass Du nicht mehr dabei bist. Ich wünsche Dir alles Gute für die kommende Zeit!

Die Autopista ist wie leergefegt, die Straßen abseits der Autobahn holprig. Mikkel nutzt die Gelegenheit uns eine Lektion zum Thema Nummernschilder zu erteilen.

 


Exkurs Nummernschilder

In Kuba ist anhand der Nummernschilder erkennbar, aus welcher Provinz das Fahrzeug stammt. Dies wird durch den ersten der insgesamt drei Buchstaben angezeigt. „H“ heißt zum Beispiel, dass das Fahrzeug aus La Habana kommt, das „F“ steht für Cienfuegos.

Zusätzlich gibt es bei den Nummernschildern noch einen Farbcode, der anzeigt, wem das Auto gehört::

Blau: Staatliche Fahrzeuge
Gelb: Privatautos
Schwarz: Fahrzeuge der Botschaft
Orange: Ausländer, die in Kuba leben und arbeiten
Rot: Mietfahrzeuge
Grün: Verteidigungs- und Innenministerium
Weiß: alle anderen Ministerien (insgesamt 6 Stück, daher gibt es nur 6 Autos mit weißem Nummernschild in ganz Kuba
Rot: Volksvertreter, die Fahrzeuge sind alle Ladas (dadurch von Mietautos zu unterscheiden), insgesamt gibt es davon 170 Fahrzeuge in Kuba

 


Wenn man durch Cienfuegos fährt, ist deutlich zu sehen, dass hier generell mehr Geld vorhanden ist als zum Beispiel in Havanna. Die Fassaden der Häuser sind größtenteils in gutem Zustand, die Fußgängerzone ist prachtvoll und gepflegt.

Seinen (relativ zu betrachtenden) Reichtum verdankt Cienfuegos dem Zucker, den hier stand schon im Jahr 1751 die erste Zuckermühle. Auf seine Blütezeit musste die Region aber noch bis ins 19. Jahrhundert warten, als Cienfuegos zum wichtigsten Umschlagplatz für Zucker wurde.

Der Bedarf an Arbeitskräften stieg ins Unermessliche und da es zu dieser Zeit Mode war, sich billige Arbeitskräfte in Afrika zu besorgen, machten auch die Plantagenbesitzer aus Cienfuegos von dieser Praxis Gebrauch. Nach kurzer Zeit gab es weit mehr Sklaven als Weiße in der Region. Aus Angst vor Unruhen und Aufständen holte der Gouverneur französische Siedler aus den verschiedensten Ländern nach Cienfuegos, jedem, der herkam, wurde die Überfahrt bezahlt und kostenlos Land zur Verfügung gestellt.

Dass sich die französischen Siedler in ihrer neuen Heimat kräftig ausgetobt haben, ist auch heute noch unübersehbar.

Wir halten am zentralen Platz an, der südländisches Flair hat. Rings um den Platz sind einige bedeutende Gebäude angeordnet. Ungewöhnlich ist, dass hier, mitten im Stadtzentrum, ein Schulgebäude steht. Zu verdanken haben das die Einwohner den Franzosen, denn diesen war Bildung wichtiger als Religion. Deswegen wurde das Schulgebäude auch in verhältnismäßig kurzer Zeit gebaut. Bedeutend länger hat der Bau der Kirche gebaut und dass Religion unwichtiger war, ist auch hier zu sehen: Ähnlich der bereits erwähnten Kirche Havanna ist auch die Kirche in Cienfuegos asymmetrisch gebaut. Lag es in Havanna an den geologischen Gegebenheiten, dass der linke Kirchturm schmaler ist als der rechte, so ist in Cienfuegos aufgrund der geringen Wertschätzung der rechte Turm kleiner als der linke.

Das berühmte Terry-Theater, das ebenfalls an diesem Platz liegt, gilt als das schönste Theater Kubas (auch wenn es nur über die zweitbeste Akustik verfügt). Das Interieur zeigt ebenfalls den französischen Einfluss. Es bietet Platz für 1400 Zuschauer, der größte Teil des verwendeten Materials für die Inneneinrichtung stammt aus Europa.

Wir haben etwa eine Stunde Freizeit um uns die Umgebung anzuschauen, ich nutze die Zeit und laufe durch die Seitenstraßen. Erstaunlich: Auch wenn sich hierher eher selten Touristen verirren dürften, sind selbst in den kleinen Gassen die Fassaden der Häuser in optisch gutem Zustand. Ein Blick durch die ein oder andere offen stehende Eingangstür offenbart eine andere Welt, es ist halt doch mehr Schein als Sein. Trotzdem finde ich es gut, dass zumindest auf die äußere Optik Wert gelegt wird.

Das Problem der Häuser ist eigentlich hausgemacht: Dadurch, dass die UNESCO (wenn ich das richtig verstanden habe) die Fassaden sämtlicher Häuser in Kuba zum Kulturerbe erklärt hat, ist es unerheblich, ob der Hausbesitzer über Geld verfügt oder nicht. Es ist schlichtweg verboten, eigenständig die Häuser zu renovieren, es muss erst ein Sachverständiger von der UNESCO entsandt werden, der die Arbeiten leitet und beaufsichtigt.

Unser nächstes Ziel ist ein Palast direkt am Meer. Nach einer kurzen Besichtigung gibt es auf der Terrasse einen „Begrüßungscocktail“. Ich stelle mir die Frage, warum es am siebten Tag einen Begrüßungscocktail gibt, wage es aber nicht, die Frage laut auszusprechen. Wahrscheinlich hat Mikkel einfach nur Angst, dass wir so langsam wieder nüchtern werden könnten. Die Mischung des Cuba Libre ist Gott sei Dank human, sonst hätten wir ein ernsthaftes Problem bekommen, denn seit wir in Cienfuegos angekommen sind, knallt die Sonne vom Himmel.

Das heutige Programm folgt einem strammen Zeitplan und so brechen wir wieder auf, unser nächstes Ziel ist der Botanische Garten. Hier hat die Harvard University auf einem schier endlosen Gelände die exotischsten Pflanzen zusammengetragen. Zumindest bei den einheimischen Pflanzen können wir punkten, denn einige davon haben wir in den letzten Tagen schon gesehen; beim Mahagoni-Baum scheitern wir jedoch kläglich.

Mit der neuen Erkenntnis, woher der Teleskopbaum seinen Namen hat (Die wurstförmigen Früchte sind sehr hart und erreichen bei einer Länge von bis zu sechzig Zentimetern ein Gewicht von bis fünf Kilo und wer eine dieser Früchte abbekommt, sieht eine Menge Sterne. So lautet zumindest die Theorie unseres Local Guides) steigen wir wieder in den Bus und fahren in den „Club Amigo“, unser Hotel. Ein langer und anstrengender Tag neigt sich dem Ende. So dachte ich, doch Mikkel verspricht, heute Abend sämtliche Getränke zu bezahlen, was ein lobenswertes Vorhaben ist, handelt es sich doch um ein All-Inclusive-Hotel. Ich wage bereits jetzt die These, dass das ein anstrengender Abend wird.

8. Tag, Donnerstag, 11.11.2010:

CIENFUEGOS – TRINIDAD Durch die Sierra de Escambray

 Unzählige Serpentinen pflastern unsere Fahrt in die wildromantische Sierra de Escambray. Neblige Nadelwälder bedecken die bis zu 1000 Meter hohen Berge. Weiter geht’s zu Fuß: An hohen Farnen und moosbewachsenen Bäumen vorbei folgen wir dem Trail zu einem Wasserfall. Mit dem Bus erreichen wir nachmittags die frühere Zuckerrohrmetropole Trinidad am Fuße des Escambray-Gebirges. José verrät uns die besten Lokale und Bars für den Abend.

Ich bin diesmal froh, dass die Reisebeschreibung nicht zu hundert Prozent stimmt: Neblig ist es nicht, es ist warm und die Sonne knallt vom Himmel. Nach einem reichhaltigen und ausgedehnten Frühstück (wenn wir schon All-Inclusive gebucht haben, muss das ja auch ausgenutzt werden), besteigen wir den Bus. Diesmal liegt eine recht kurze Fahrt von etwa einer Stunde vor uns. Dafür wird die Fahrt umso intensiver: Der Fahrer, ein Meister seines Faches, quält den Bus unglaublich steile Serpentinen hoch, der Motor läuft konstant auf höchsten Drehzahlen. Als ich schon befürchte, dass wir aussteigen und schieben müssen, haben wir es für’s Erste geschafft; der Gipfel des Berges ist erklommen, von jetzt an geht es erstmal genauso steil bergab, wie es zuvor in die Höhe ging. Wir passieren die Kurve es Todes, die ihren Namen einem tragischen Ereignis verdankt: Bei einem Radrennen hat ein Fahrer wohl gedacht, die Straße ginge geradeaus und hat die Kurve übersehen. Was dann passiert ist, möchte ich mir nicht vorstellen…

Wir erreichen das Kurhotel auf dem Topos de Collantes, wo die Fahrt vorerst beendet ist. Das liegt nicht etwa daran, dass wir nicht weiterfahren wollen oder müssen, die technischen Grenzen des Reisebusses sind einfach erreicht und überschritten.

Nun wird es also Zeit für den Plan B. Plan B besteht aus alten russischen LKW, die mit ihrer hochmodernen Ausstattung beeindrucken, denn sie verfügen über eine 360°-Klimaanlage (man könnte auch von einem offenen Pritschenwagen sprechen, aber das würde sich ja nur halb so            toll anhören) und bescheren uns eine intensive russische Ganzkörpermassage (es gibt keine Stoßdämpfer).

Die Massage verdanken wir hauptsächlich der Tatsache, dass mit dem Moment, an dem wir den Bus verlassen, auch die Straßen aufhören. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes über Stock und Stein, größtenteils aber durch Schlag- und Schlammlöcher.

Zwischendurch sehen wir ab und zu Anzeichen von Zivilisation, diese beschränkt sich jedoch auf zwei bis drei Hütten und ein „Gemeindezentrum“ und ich frage mich, was die Bewohner machen, wenn sie beim Einkaufen mal etwas vergessen. In dem Fall würde ich ja einfach noch mal zum Supermarkt zurückfahren, aber hier ist das so einfach nicht möglich, da die Wege wirklich lang sind. Böse Zungen sagen, dass die Bewohner hier beim Einkaufen nichts vergessen können, da die Auswahl eh nicht so groß ist, aber wenn zum Beispiel die Eier vergessen wurden, gibt es wahrscheinlich den Rest des Monats keine und es wird halt improvisiert.

Jetzt gabelt sich die Straße, meine Befürchtung bewahrheitet sich: Natürlich wäre der passierbare Weg zu unspektakulär, die LKW biegen daher auf den unscheinbaren Trampelpfad ab, der sich rechts vom Weg weiter den Berg hoch schlängelt.

Die LKW halten nach einer gefühlten Ewigkeit unvermittelt an und die Wanderung beginnt. Der Trail verspricht angenehm zu werden, denn die Strecke von drei Kilometern ist absehbar. Stutzig macht mich lediglich die Zeitangabe von drei Stunden, aber da sehe ich mal gekonnt drüber hinweg. Das stellt sich als Fehler heraus, es geht bergauf und bergab, über einige improvisierte Brücken in Form von leicht präparierten Baumstämmen und über glitschige Steine, die mitten in den Bächen liegen.

Der Local Guide führt uns durch eine kleine Felsspalte links des Weges und wir stehen in einer kirchenähnlichen Höhle. Diese ist nach oben hin offen, was sowohl ein interessantes Lichtspiel erzeugt, als auch erklärt, warum hier keine richtigen Stalaktiten vorzufinden sind: Der Wind, der von oben in die Höhle weht, verhindert, dass sich die Wassertropfen an der tiefsten Stelle sammeln und so wachsen die Stalaktiten wild in alle Richtungen.

Dem konstanten Rauschen folgend führt uns der Pfad zu einer kleinen Lagune, wo wir die Gelegenheit hätten zu baden. Die Motivation der Gruppe diesbezüglich ist jedoch eher gering und so nutzen wir die Zeit für eine kurze Verschnaufpause, denn wir haben inzwischen Raum und Zeit vergessen und können nicht absehen, wie lange die Wanderung noch andauern wird.

Eine Begegnung mit dem Red-Bull-Baum (ein Guarana-Gewächs, das zehnmal mehr Koffein als Kaffee enthält und als Grundlage für Energy-Drinks wie Red Bull fungiert) gibt uns einen letzten Motivationsschub und bald können wir schon die Hütte sehen, in der wir unser Mittagessen einnehmen.

Das Essen liegt doch recht schwer im Magen, als wir erneut die LKW besteigen, den Weg, den wir bereits bei der Hinfahrt genommen haben, können wir uns nun aus entgegengesetzter Perspektive anschauen. Zwischendurch nehmen wir einige Anhalter mit (immerhin haben wir noch ein paar Plätze frei). Ich glaube, dass das für diese Leute ein echter Glückstreffer war, denn die Wege sind hier oben in den Bergen sehr lang und ich glaube nicht, dass sich viele Autos hierher verirren…

Wir erreichen unseren Bus, der uns zum Hotel bringt. Es ist jetzt 17.00h, das Programm für heute ist abgearbeitet. Erneut erwartet uns ein All-Inklusive-Hotel und unser Scout hat es sich nicht nehmen lassen, uns Zimmer direkt neben der 24-Stunden-Bar zu besorgen. Das ist gut, denn so ist die Grundversorgung gesichert (inzwischen frage ich mich ernsthaft, was ich mit der Flasche Rum machen soll, die ich schon seit zwei Tagen angebrochen im Gepäck herumschleppe), andererseits verspricht das eine harte Nacht zu werden, denn der Animateur scheint hochmotiviert, die Musik ist dementsprechend so laut, dass ich in meinem Zimmer auf dem Bett sitzend mitfeiern kann.

Wir beschließen zum Strand zu gehen, denn der Sonnenuntergang steht kurz bevor und diesen wollen wir keineswegs verpassen. Wir setzen uns auf die Strandliegen und mein Blick fällt auf die Strandbar, die aber leider schon seit 17.00h geschlossen hat. Es hilft ja nichts, die Zunge klebt am Daumen, ich laufe also die zweihundert Meter zur nächsten Bar mit dem Plan, dass All-Inklusive-Konzept auszutesten. Ich bestelle fünf Cuba Libre und drei Mojito. Der Kellner zeigt keine Regung und fragt mich, was denn meine Freunde trinken wollen. Wir einigen uns auf ein Unentschieden und ich bringe die Getränke (die natürlich nicht nur für mich alleine waren) zu den anderen an den Strand. Die Sonne versinkt im Meer, wir machen ein paar Fotos, die fortan wahlweise als Bildschirmhintergrund oder als Motiv für eine Kitsch-Postkarte dienen können.

Als die Sonne weg ist wird es kühl und die Mücken kommen aus ihren Verstecken. Wir mobilisieren daher unsere letzten Kräfte und steuern die nächste Bar an.

Zwischendurch müssen wir (obwohl es langweilig ist) auch mal feste Nahrung zu uns nehmen. Das Abendessen ist ein Traum: Das Essen ist gut, die Auswahl riesig; obwohl das Hotel zur gleichen Kette gehört wie das gestrige Hotel, so liegen doch Welten dazwischen.

Der Abend klingt (wen wundert’s) in gemütlicher Runde an der Bar bei ein paar Runden Billard aus. Plötzlich bemerke ich, dass etwas anders ist und ich brauche einige Zeit um herauszufinden was es ist. Dann fällt der Groschen: Die Musik ist aus und die DJs diskutieren, welche der beiden CDs (mehr haben sie offensichtlich nicht zur Verfügung) sie als nächstes spielen sollen. Ich nutze die Gunst der Minute und begebe mich auf mein Zimmer. Mein Plan ist, einzuschlafen, bevor die nächste CD gestartet wird. In diesem Sinne: Gute Nacht allerseits!