Ich hab noch einen Koffer in Berlin

„Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin“ hat Marlene Dietrich in den 1950er Jahren gesungen. Oft habe ich diesen Liedtext im Alltag verwendet. Gehört habe ich das Lied allerdings noch nie. Unglaublich, aber wahr. Heute habe ich es dann getan und mir auf Youtube eine Auszeit von der Realität gegönnt.

 

„Ich hab noch einen Koffer in Berlin“

In der Schule mussten wir in einer Deutschklausur mal ein Lied interpretieren und obwohl ich selten eine Klausur mit weniger als 12 Punkten hinter mich gebracht habe, so konnte ich damals mit „Über den Wolken“ von Reinhard Mey relativ wenig anfangen.
Klar, das Lied ist toll. Es hat eine eingängige Melodie, die Harmonik ist überschaubar, denn mit gefühlten drei Akkorden gehört das Lied zum Standardrepertoire der ersten Gitarrenstunde an der VHS (nur wenn es sich um eine absolute Gurkentruppe handelt, kommt das Lied erst in der zweiten Stunde dran). Aber trotzdem konnte ich nichts damit anfangen. Mein Tischnachbar philosophierte (so überzeugte ich mich noch während der Klausur) damals darüber, man müsse dieses Gefühl einmal selbst erlebt haben, um nachvollziehen zu können, wie sich der Protagonist in dem Moment fühlt. „Was ein Scheiß“, habe ich mir damals gedacht. Mein Lehrer sah das anders – mein Nachbar bekam eine eins, ich eine drei. Okay, für eine halbe DIN A4 Seite handgeschriebenen Text in neunzig Minuten kann man auch nicht mehr erwarten, da war die Zensur wohl eher noch ein Geschenk.

Bei „Ich habe einen Koffer in Berlin“ geht es mir nun völlig anders. Ich lese zum ersten Mal in meinem Leben die erste Strophe:

„Wunderschön ists in Paris
auf der Rue Madeleine
schön ist es im Mai in Rom
durch die Stadt zu gehen
Oder eine Sommernacht
still beim Wein in Wien
doch ich denk wenn ihr auch lacht
heute noch an Berlin“

Sofort läuft ein Film in meinem Kopf ab, denn alle diese Dinge durfte ich bereits selbst erleben.
Okay, auf der Rue Madeleine war ich nicht, allerdings bezweifle ich auch stark, dass es diese überhaupt gibt. Auf einem Stadtplan von Paris konnte ich diese zumindest nicht ausmachen. Dafür habe ich Madeleine in Paris gesehen.

La Madeleine, ein Exkurs:
Für die Musikbegeisterten:
Bemerkenswert ist die Orgel der Kirche. Es handelt sich um eine Cavaillé-Coll-Orgel aus dem Jahr 1846 (Vollendung). Mehrfach umgebaut umfasst sie heute 58 Register auf vier Manualen.

Für die Kulturinteressierten:
Für bedeutende Persönlichkeiten wurde hier die Totenmesse abgehalten, z.B. Frédéric ChopinMadeleine
Jacques Offenbach
Charles Gounod
Camille Saint-Saens
Gabriel Fauré
Coco Chanel
Josephine Baker
Charles Trenet
Marlene Dietrich (hört hört!)

Für die Damen:
Vom Elyseé-Palast kommend flaniert ihr die Rue du Faubourg Saint-Honoré entlang, biegt hinter Hermès die zweite Straße links ab, dann lauft ihr geradeaus darauf zu (wobei ich die Straße, an deren Ecke sich Hermès angesiedelt hat, bereits als erste Straße zähle. Präziser wäre wohl die Anweisung an der Kreuzung von Ladurée Royale links abzubiegen).

In Rom war ich schon mehrfach. Ob einer meiner Aufenthalte dort im Mai stattgefunden hat, vermag ich nicht zu sagen, dafür liegt mein erster Besuch der ewigen Stadt zu lange zurück. Aber ich war über Sylvester dort, habe sämtliche Kirchen besichtigt und seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. treffen dürfen. Auch Rom wird mir somit auf ewig in schöner Erinnerung bleiben.

Es war tatsächlich Sommer, als ich in Wien war. Es war nicht still, und Wein haben wir auch nicht getrunken. Dafür haben wir es krachen lassen. War ein tolles Wochenende. Leider habe ich nicht mehr viele Erinnerungen an Wien, denn es waren halt nur zwei Tage, und die liegen nun schon fast fünf Jahre zurück. Seitdem ist einfach zu viel in meinem Leben passiert, so dass für einzelne Tage und die Erinnerungen daran nur selten Platz in meinem Kopf ist.

„Ich hab noch einen Koffer in Berlin
deswegen muß ich da nächstens wieder hin
die Seligkeiten vergangener Zeiten
sie sind alle immer noch in diesem kleinen Koffer
drin“

Auf ewig einen Platz in meinem Gedächtnis haben wird aber auf jeden Fall Berlin. Auch hier geht es im Prinzip nur um ein paar wenige Tage, aber das waren ohne Übertreibung die schönsten Tage meines Lebens.

„Ich hab noch einen Koffer in Berlin
das bleibt auch so und das hat seinen Sinn
auf diese Weise lohnt sich die Reise
und wenn ich Sehnsucht hab dann fahr ich wieder hin“

Oh ja, einen Koffer habe ich noch in Berlin.
Eine Ansammlung schöner Erinnerungen, eine Collage von Momenten für die Ewigkeit.

Diese werde ich nun dort abholen, damit ich sie immer bei mir behalten kann, denn es heißt Abschied nehmen. Sehnsucht werde ich weiterhin haben, aber hinfahren – das werde ich wohl auf lange Sicht nicht mehr können. Umso mehr werde ich die nächsten Tage dort genießen.

Von den drei Wünschen, die ich auf meiner Liste habe (ich habe sie vor einigen Wochen geschrieben und bis auf diese drei Punkte innerhalb der wenigen bereits erwähnten Tage komplett abarbeiten können), sind nur noch zwei möglich. Und diese werde ich mir in wenigen Tagen erfüllen. Ich freue mich und werde von dieser Reise berichten!
Bis dahin überlasse ich die Bühne der bezaubernden Marlene Dietrich:

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